David Bowie – Alle Songs – rezensiert von Torsten Fuchs

Freude und Leid liegen oft nah beieinander: Am 8. Januar 2022 war der Geburtstag von David Bowie, er wäre 75 geworden – nur zwei Tage später, am 10. Januar, sein 6. Todestag. Die Musikindustrie nutzte das Jubiläum, um das Album „Toy“ mit 12 Songs zu veröffentlichen; elf davon sind Frühwerke Bowies, die er vor über 20 Jahren neu eingespielt hatte, nur der Titelsong war neu – jedoch ebenfalls vor mehr als 20 Jahren…

Bowie-Nachfahren versilbern das musikalische Erbe

Kurz vor Bowies 75. himmlischen Wiegenfest haben sich seine Erben großzügig selbst beschenkt, indem sie für mehr als 200 Millionen Euro die Songrechte der kompletten Diskografie an Warner Chappell Music verhökerten… nun: Ein popkulturelles Phänomen an Bowie ist, dass seine Songs nicht altern. Im Delius-Klasing-Verlag hat man das erkannt, in Buchform umgesetzt und erzählt auf mehr als 600 Seiten die Behind-Stories seiner Lieder. „David Bowie – Alle Songs“ liefert die Geschichten hinter den Tracks, der Erzähler Benoit Clerc ist selbst Musiker, er komponiert für Film und Fernsehen und hat auch mit erotischen Filmen zu tun. Zuletzt hatte der Franzose über „Alle Songs“ von Queen geschrieben.

Frontcover so schrill wie eine Pimkie-Auslage

Die Weisheit, ‚never judge a book by ist cover‘, gilt auch in diesem Fall, denn mit schrillem Rosa und Gelbtönen sticht der Bucheinband ins Auge wie die Auslage im Schaufenster eines Pimkie-Klamottenladens. Es ist ein Trumm von einem Buch; es ist schwer, zu schwer fürs Regal, also rauf damit auf den Wohnzimmertisch. Es muss schwer sein bei all der Detailverliebt- und –versessenheit, die Benoit Clercs Werk kennzeichnet. „Alle Songs“ ist chronologisch aufgebaut, ein umfassendes Nachschlagewerk, ein enzyklopädischer Anspruch von vorn bis hinten – bebildert mit an die 400 Fotografien. Nach ausführlicher Biografie des Ausnahmekünstlers geht es in die einzelnen Lieder und Schaffensphasen, fast schon minutiös sind jeweils am Song Beteiligte sowie Vorgeschichte und Aufnahme festgehalten. Natürlich auch Bowies Berliner Zeit – seine Trilogie, die er während des zeitweiligen Wohnsitzes in der Schöneberger Hauptstraße vollendet hat – übrigens nicht allzu weit weg vom Peli-One-Studio, also für Berliner Verhältnisse…

Wie ernst Autor Clerc seine nachrichtenjournalistische Dokumentationspflicht nimmt, zeigt sich beispielsweise in seinen Protokollnotizen zum Album „Let’s dance“ von 1983: Ihm reicht es nicht, den Produzenten und Gitarristen Nile Rogers aufzulisten – die Entstehungsgeschichte von dessen Band Chic ist gleich seitenweise mit im Lieferumfang.

Auf insgesamt 624 Seiten gibt es Fakten, Fakten, Fakten und viel mehr über Bowie zu entdecken, nicht nur für hartgesottene Fans, sondern für alle, die sich für mehr als nur „Let’s dance“ bzw. „Heroes“ interessieren; beides Songs, die sogar das Dudelradio gekapert hat. Das Hardcover „David Bowie – Alle Songs“ ist in 1. Auflage 2021 bei Delius Klasing erschienen, das gewichtige Buch kostet 59,90 Euro in Deutschland, in Österreich 61,10 Euro.

Über Torsten Fuchs 529 Artikel
Torsten Fuchs ist ein Experte der Black Music und bereits früh als Redakteur zu rap2soul gekommen. Torsten schreibt CD-Kritiken für mehrere Magazine. Als Moderator war er für JAM FM tätig, zuvor war er auch bereits bei Radio PSR und als Showhost bei MDR Sputnik. Torsten Fuchs ist Mitglied beim Preis der Deutschen Schallplattenkritik e.V. in der Jury für "Hip Hop, Soul, R&B".

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