Ekstatischer Mehr-Generationen-Jazz: Kamasi Washington in Offenbach

Wenn der Vater mit dem Sohne… zum Beispiel Abend für Abend gemeinsam auf der Bühne steht und man zum Beispiel bis zum nächsten Auftritt 600 Kilometer nach Berlin abreißen muss, dann sind pünktlicher Beginn und zeitiger Feierabend einzuplanen. So war es auch beim Auftritt am Samstag (9. März 2019) im Capitol Offenbach. Die Location sehr gut gefüllt, gefühlt eine Hälfte der Besucher Amerikaner, die andere Musikstudenten. Punkt 20 Uhr legte Washingtons Band los – ein Kontrabass, eingerahmt von zwei Schlagzeugburgen, Keyboards, Posaunist, Backgroundsängerin und in der Mitte ein in sich gekehrt ruhender Bandleader.

Kein Free Jazz, aber sehr sehr free

Kamasi holte kurz nach Showbeginn seinen Vater Rickey Washington an seine Seite, der den Rest des Abends die Querflöte bzw. das Sopransaxophon bediente. Die Musik: ein einziger Fluss aus Jazz, Soul, Funk, Hip-Hop und Afrobeat; „Sounds of Blackness“ würde hier stehen (wenn es nicht eine gleichnamige Band gegeben hätte, die zu meinen liebsten zählt). Eine grooviges Gebräu, das hin und wieder durch fast schon noisige Attacken aufgekocht wurde. Kein Free Jazz, aber sehr sehr free… Und: Es war der ständige Wechsel von Soli. Vor allem die des Kontrabassspielers fielen durch ihre Wucht auf: Mal zupfte und lauste er den braunen Riesen behutsam, mal zersägte er sein hölzernes Lieblingsinstrument fast mit dem Bogen. Auch das Duell der zwei Schlagwerkburgen stach heraus: Beide Trommler, Kamasi Washington sprach in der Anmoderation von „den besten Drummern der Welt“, bekriegten sich und harmonierten zugleich. Nur die Sängerin, die hin und wieder ziemlich affektiert gestikulierend herumlief und -schlich, wirkte bei passabler Gesangsleistung ein wenig deplatziert in dieser Herrenrunde.

Intensiv, doch ein wenig kurz

Kamasi, stets souverän und hoch konzentriert an der Tenor-Kanne, sowie seine Band spielten vom aktuellen Album „Heaven and earth“, von der EP „Harmony of difference“ aus dem Jahr 2017 und vom hochgelobten Debütalbum „The epic“ aus dem Jahr 2015. Alle arbeiteten intensiv, doch ein wenig zu kurz: Denn die Erwartungshaltung an ein Konzert ist anders, wenn allein das Debütalbum eine dreistündige Spielzeit aufweist. Die Show nach einer Stunde und 45 Minuten ohne Zugabe zu beenden – diesbezüglich könnten Kamasi und Solistenschar während der Busfahrt zum nächsten Auftrittsort noch mal in sich gehen…

Über Torsten Fuchs 529 Artikel
Torsten Fuchs ist ein Experte der Black Music und bereits früh als Redakteur zu rap2soul gekommen. Torsten schreibt CD-Kritiken für mehrere Magazine. Als Moderator war er für JAM FM tätig, zuvor war er auch bereits bei Radio PSR und als Showhost bei MDR Sputnik. Torsten Fuchs ist Mitglied beim Preis der Deutschen Schallplattenkritik e.V. in der Jury für "Hip Hop, Soul, R&B".

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