Ihre Hits wie „Free Your Mind“, „Never Gonna Get It“, „Don’t Let Go“ und „Whatta Man“ sind längst Klassiker. Doch statt einfach nur mit Oldies um die Welt zu reisen, wollen die drei Ladys von En Vogue es 2017 noch mal wissen. Sie haben das Album „Electric Café“ aufgenommen, das diesen Sommer bei eOne/SPV erscheinen wird. Zuvor gab das Trio Konzerte in Europa, die „For the love of music“-Tour machte in Hamburg, Köln, Frankfurt und Bremen halt. Rap2soul-Redakteur Torsten Fuchs traf Cindy Herron-Braggs, Terry Ellis und Rhona Bennett zum exklusiven Rap2soul-Interview im Tourbus, der extra mitten im Frankfurter Stadtzentrum parken und sich den Strom von einem Hotel nahe dem Club „Gibson“ holen durfte. Und er traf auf gut gelaunte funky Divas ohne divenhaftes Auftreten.
Torsten Fuchs: Obwohl eure Songs in den Clubs und im Radio gern gespielt werden, ist es vergleichsweise ruhig um euch geworden. Nach dem starken Album „Masterpiece theatre“ mit der Hitsingle „Riddle“ hat man in Deutschland nicht mehr so viel von euch gehört… Ist En Vogue noch en vogue?
Cindy Herron/Terry Ellis/Rhona Bennett: Wir sind noch da und haben uns nie aufgelöst. 2004 hatten wir das Album „Soul Flower“ veröffentlicht, 13 Jahre ist das nun her. Das war ein Indie-Projekt, vielleicht habt ihr in Europa deshalb nicht so viel davon mitbekommen… Seitdem sind wir oft und in der ganzen Welt aufgetreten. Vor etwa drei Jahren sagten wir uns dann, wir müssten ein neues Album aufnehmen. Wir trafen unsere Gründungsproduzenten Denzil Foster und Thomas McElroy, um den kreativen Prozess zu starten: also Musik zu hören, sich mit Tracks zu beschäftigen, zu diskutieren, in welche Richtung das Ganze sich bewegen soll usw. Ja, und dann haben wir einfach angefangen zu arbeiten. Wir sind zusammen ins Studio gegangen, haben Texte geschrieben – und uns auch einfach ein wenig treiben lassen.
Die Hitproduzenten Foster und McElroy, die mit Club Nouveau schon R&B-Geschichte schrieben, haben die Richtung vorgegeben?
Weil wir mit unseren Original-Produzenten gearbeitet haben, gibt es natürlich auch auf „Electric Cafè“ die klassischen Signature-En-Vogue-Harmonien; unseren Sound. Aber wir haben bei dem neuen Albumprojekt auch mit Raphael Saadiq zusammengearbeitet. Und mit dem neuen Produzenten Dem Jointz, der schon für Dr. Dre und Janet Jackson tätig war. Unsere Fans hören also den klassischen, eklektischen En Vogue-Sound, der übrigens schon immer sehr eklektisch war.
Wie entstand der Albumtitel „Electric Café“?
Als wir am Anfang über unser Vorhaben brainstormten, hatten unsere Produzenten die Idee, sich einfach mal in die EDM-Richtung zu bewegen, Electronic Dance Music also. Aber als das Albumprojekt mehr und mehr Gestalt annahm und ein Eigenleben entwickelte, verschoben sich die Schwerpunkte wieder. Es gibt schon noch eine Prise EDM, aber hauptsächlich klassischen R&B und Soul. Aber weil wir den eingangs erdachten Namen liebten, haben wir ihn behalten. Es ist ganz einfach: Das Album heißt „Electric Cafè“, weil uns der Titel gefällt.
En Vogue und EDM – passt das zusammen – wie passt das zusammen?
Unsere Produzenten und wir drei lieben einfach alle Musikstile, Trends oder irgendwelchen Hypes sind wir aber nie gefolgt. Und wir haben immer versucht, ein wenig um die Ecke zu denken und anders zu sein. Es ist einfach so: Wir lieben Musik, wir lieben alle Arten von Musik. Und das drückt sich auch in unserem Sound aus – deshalb gibt es verschiedene Stile. Und eben auch EDM.
In Deutschland kennt jede(r) Rihanna, aber Frank Ocean wird nur von informierten Kreisen gefeiert. Wie schätzt ihr generell den heutigen Stand von Temporary R&B ein?
Wir haben einen Zeitabschnitt, eine Epoche hinter uns, in der R&B sehr gelitten hat. Und viele haben sich von dem traditionellen Stil abgewendet. Aber wie es mit den meisten Dingen im Leben ist: Sie sind zyklisch und kommen irgendwann wieder. Und an diesem Punkt sind wir jetzt: Man kann klassischen Soul und R&B auf einem anderen Level wieder genießen, indem man sie für das elektronische Zeitalter aufbereitet. Meines Erachtens gibt es derzeit eine Menge aufregender Musik. Die hört man vielleicht nicht im Mainstream-Radio, aber es gibt viele angesagte Künstler und kommende Stars. Es geht um eine hohe Qualität und darum, dass, was wir lieben und kennen, dass, mit dem wir aufgewachsen sind, neu zu interpretieren.
Mit „Empire“ hat sich Timbaland quasi ein schnelldrehendes Verwertungskarussell für One-Hit-Wonder geschaffen. Wie schafft ihr es, seit einem Vierteljahrhundert en vougue zu sein?
Das liegt vor allem daran, dass es unseren Produzenten Denzil Foster und Thomas McElroy gelungen ist, wirklich zeitlose Musik zu erschaffen. Und natürlich stützen wir uns auch auf unsere Fanbasis, die so lange unsere Musik und unseren Stil geliebt hat und noch immer liebt. Und auch wir selbst tragen dazu bei: Wir machen einfach weiter das, was wir so sehr lieben. Aber wir wären nicht mehr hier, wenn unsere Produzenten nicht Zeitloses geschaffen hätten.
In der heutigen Zeit ist es übrigens viel schwieriger, sich zu behaupten und auch im Bewusstsein zu bleiben und nicht schnell wieder zu verschwinden. Als wir angefangen hatten, spielte das Internet keine Rolle; es gab Radiosender, MTV und VH1, die öffentliche Wahrnehmung war einfach auf weniger Angebote ausgerichtet. Und jetzt gibt es unzählige Outlets über das Internet, so viel ungezählte Angebote und Möglichkeiten für Musik und Künstler. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ist extrem aufgesplittert. Für einen Künstler ist es viel schwieriger geworden, ganz vorn im Rampenlicht zu stehen und vorn zu bleiben. Die Aufmerksamkeitsspanne ist heutzutage viel kürzer. Du hast Empire angesprochen und dass die jungen Stars schnell wieder weg vom Fenster sind. Das liegt auch daran, dass das Publikum nicht mehr so lange treu bleibt. Es lässt sich vom nächsten großen Ding begeistern und denkt sich: ‚Okay, new stuff, new people…‘“
Gibt es einen Erwartungsdruck bei Euch in puncto Erfolg von „Electric Café“?
Wir setzen und hoffen da auf unsere großartigen Fans. Die wollten schließlich neue Musik von uns. Und sie haben auch lange geduldig gewartet, so dass wir uns die Zeit nehmen konnten, die wir dafür gebraucht haben. Und es ist etwas herausgekommen, von dem wir alle überzeugt sind, dass wir es mit der Welt und unseren Anhängern teilen sollten.
Die erste Single aus „Electric Café“ heißt „I’m good“, hier könnt ihr sie hören. Soeben hat Rob Hardt von Cool Million den Song geremixt – und auf Hitkurs geschickt.
Kommentar hinterlassen