Leben II ist das größte was Azad je gemacht hat nach seinem Kind, so behauptet es der Frankfurter Rapper zumindest in der ersten Zeile seines ersten Longplayers seit 6 Jahren. Der Kurde, der es geschafft hat, ist zurück. Das Cover zeigt sehr aussagekräftig entstehendes Leben in Form eines Säuglings, umgeben von einem Salat dunkler schlangenartiger Wesen. Es hat was von dem klassischen Bild der Betonrose. Die Unschuld eines wachsenden Seins inmitten von Boshaftigkeit.
Und der auditiv wahrzunehmende Inhalt, wird der visuellen Darbietung auf jeden Fall gerecht. Azad vereint so inhaltlich fast schon predigende Texte gegen die derzeit vorherrschende Misogynie im Hip Hop, selbst gegen den im Deutschrap prävalenten Antisemitismus, mit harten Straßenrap-Beats auf dem stark an Eminems „The Way I Am“ erinnernden Track „Nicht wie ihr“. In „Narben & Tränen“ beschäftigt er sich mit dem Struggle seines Stammes der Kurden, sowie seinem persönlichen Drangsal in der Kindheit. Auch tagesaktuelle Themen wie die Auschreitungen in dem syrischen Kobane werden thematisiert, obgleich die Produktion hier ziemlich typisch und sehr „dunkel“ ist. Genauso funktioniert der gelungene Track „Blind“, der Krisen wie die Armut in Somalia und andere Krisenherde der Welt mit einem klassischen deepen Raptrack vereint. Wichtige und moralisch wertvolle Inhalte werden gepaart mit harten innerstädtischen Melodien. Das gutherzige Baby im Betondschungel.
Allgemein wurden kompositorisch keine all zu großen Ausflüge gemacht. Das sind Beats, wie sie jeder junge Deutschrap-Beatbastler in seinem Repertoire hat: Der deepe Track, der ein Klavier-Sample hat, der harte mit Pistolenschüssen und Ami-Rap-Snippets etc p.p.
Das kann man dem Album aber nicht vorwerfen, schließlich ist Leben II, ein Sequel. Es knüpft da an wo das Debütalbum Leben aus dem Jahre 2001 aufhörte, da sind Songs die nach früher Nuller Jahre klingen also durchaus konsequent. Ebenso konsequent zieht sich durch das Album wie ein roter Faden eine sehr bedeutungsträchtige, fast schon melodramatische Stimmung. Azads Album hat den Anspruch Spuren zu hinterlassen. Allein diesem Willen ist Respekt zu gebühren. Eine Schwäche der Platte ist jedoch, dass die Gast-Acts, diese Stimmung einfach nicht fortführen können. Bis auf MoTrip oder Blut & Kesse markieren die anderen Features auf der Platte, von etwa Schatten und Helden oder Jeyz Risse in der Atmosphäre der Platte.
Es kann halt nicht jeder so kratzig melodiös rappen wie Azad. Das Album ist eine sehr gute Straßenrap-Platte, obwohl sie inhaltlich alles andere ist als das was man heute von Straßenrap versteht. Ob sie den so starken Zeilen des ersten Tracks gerecht werden ist dann Ansichtssache.
Künstler: Azad | Album: Leben II | Label: Bozz Music / Groove Attack
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