Das 80-Zimmer-Hotel gegenüber der Stadthalle Bremerhaven ist an diesem Samstag gut ausgelastet: Fast drei Viertel der Gäste wollen den kurzen Fußweg vor und nach dem Konzert-Marathon. Und doch, 20 Zimmer wären noch zu haben gewesen… Ein ähnliches Bild in der Stadthalle auf der anderen Straßenseite: Rund 1.500 Besucher kamen zur 3. Ausgabe des Soulfood Festivals, die Halle war gefüllt, aber nicht voll. Diejenigen, welche dabei waren, erlebten eine ganz besondere Nacht:
Wohlfühl-Atmosphäre für Künstler und Publikum
Es war der wohl wichtigste Konzertabend dieses Jahres für Black-Music-Fans in Deutschland – neben denen von D’Angelo im Februar. Organisator Klaus Luka hat alles richtig gemacht: eine Wohlfühl-Atmosphäre für Künstler und Publikum geschaffen, die Tonmischung richtig eingestellt, schicke Digitalbildschirme für „Sitzenbleiber“ bzw. „Sesshafte“ aufgehängt und einen humanen Eintrittspreis von knapp 40 Euro aufgerufen; eine Summe mit Seltenheitswert in der heutigen Live-Landschaft (die Rapper A$AP Rocky und Wiz Khalifa verlangten auf ihrer Tour im Oktober das Doppelte). Der Hamburger Impresario Luka hätte 5.000 zahlende Gäste verdient, dafür aber 1.500 glücklich gemacht (happy waren auch Bosena und Nicole aus Hannover, die unser VIP-Package gewannen).
Das Soulfood Festival war eine Hommage an die Live-Musik mit Begleitung durch den großen Klangkörper.
Heimsieg für Cool Million
Kurz nach 19 Uhr rief Rob Hardt sein Orchester auf die Bühne. Die Bremerhavener Hälfte von Cool Million leistete Schwerstarbeit: Hardt stand mehr oder weniger fünf Stunden nonstop hinter seinem Keyboard, dirigierte den Ablauf, war Stage-Manager, Musiker bzw. Künstler sowie Labelchef. Denn SedSoul Records präsentierte seine neue Soulhoffnung, sodass die ersten halben Stunden dem Genre-Nachwuchs Raum boten. Künstlerinnen wie Farina Miss und Alexandra Prince sorgten dafür, dass sich die Spannungskurve geschmeidig weiter bog. Herausragend dann das britische Kollektiv Westcoast Soulstars mit den Vokalisten Eli Thompson und Janine Johnson: das Frontduo sorgte dafür, dass sich ein Feeling entwickelte, als stünde Incognito mit Bluey’s Finest auf der Rampe. Es war ein Kommen und Gehen. Background-Sängerinnen marschierten an die Front und wieder zurück ins Hinterland. Die durchtrainierte Bühnensoldatin Laura Jackson sang diszipliniert die Chorusse für alle anderen, bevor sie sich live ins Cool-Million-Line-up einhakte. Das Projekt des kongenialen Duos Frank Ryle/Rob Hardt machte im Vorfeld mächtig Wirbel mit der aufsehenerregenden Albumveröffentlichung „Sumthin‘ like this“, die Nominierungen für einen britischen Soulpreis sowie die höchste unabhängige Kritikerauszeichnung im deutschsprachigen Raum nach sich zog. Routiniert und funky präsentierte der Erfolgs-Act mit Heimathafen Bremerhaven ein halbes Dutzend der neuen Songs. In der Zwischenzeit scherzte D-Train backstage mit Musikern der S.O.S. Band, die verwundert aufhorchten, als der New Yorker ihnen erzählte, dass er seit über 30 Jahren seine Brötchen auch mit Gigs in Europa verdiene. Im Vorjahr rockte D-Train mit Halb-Playback die kleine Bühne beim Baltic Soul Weekender. In Bremerhaven kostete er alle Wege des größeren Podestes aus. Seine Uplifting-Disco-Soul-Evergreens („Music“, „Keep on“, „You’re the one for me“) blies Mr. Williams mit den Solisten des Orchesters zu ellenlangen Groove-Monstern auf, die seine Show hin und wieder den Rand zum Jazzkonzert übertreten ließ – wenn er nicht gerade den Moon Walk kopierte und Michael Jackson salutierte. Der Abend hatte sich bereits gelohnt – und die S.O.S. Band war noch nicht auf der Bühne.
Neue S.O.S.-Band-Single mit Deutschland-Premiere in Bremerhaven
„Sorry guys for delay“ entschuldigte sich Rob Hardt für die leichte Verspätung, als sein SedSoul-Orchester nach har(d)ter Arbeit die Bühne frei machte für den US-Main-Act dieses Abends. Auch wenn die S.O.S. Band von personellen Wechseln nicht verschont blieb (sie hat z. B. eine Drummerin mit Mega-Afro) – mit Mary Davis und Abdul Raoof waren Mitglieder der alten Stammbesetzung aus Atlanta, GA endlich wieder in Deutschland. Und Mary Davis singt die ganzen großartigen Songs, die in den 1980ern ihrer Zeit weit voraus waren, als hätte sie diese frisch ausgedruckt zum Einsingen bekommen. Sie singt so gut wie sie aussieht. Zwischendurch bewerben die Südstaatler ihr Crowdfunding-Vorhaben fürs neue Album, um kurz danach „Just get ready“ auf der von rap2soul.de und PeliOne.fm präsentierten Show erstmals live in Deutschland aufzuführen. 80 Minuten „Sound of Success“, und 1.500 Besucher dieses Soulfood Festivals konnten sich glücklich schätzen, dabei gewesen zu sein. Foto-Stopp für alle, Autogramme für alle und eine After-Show-Party (mit Cool Million und Musikern der S.O.S. Band!) im Bremerhavener „Rüssel“ für alle – die lange Soulnacht hatte nach dem Soulfood Festival gerade erst begonnen.
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