Von Trip Hop spricht heute niemand mehr, doch Morcheeba sind immer noch da, haben eine neue LP gemacht und das Gibson in Frankfurt ausverkauft. Rund eintausend junge Leute (und Leute, die in den Neunzigern jung waren) drängen sich in dem extravaganten Kellerklub an der innerstädtischen Einkaufsmeile. Fast auf die Minute genau um 21 Uhr beginnt die Show, für die das Kerntrio einen DJ, einen Schlagzeuger und einen Bassgitarristen auf die linke Bühnenseite gestellt hat. Schon beim Eröffnungstitel „Make believer“ ist klar, Morcheeba ist Skye Edwards, und ohne Skye war Morcheeba nicht so ansehnlich (die Sängerin kehrte vor drei Jahren zur Band zurück).
Ihre Bluse wird die nächsten knapp 90 Minuten silbern glitzern, während sie im Takt die Hüften schaukelt. Skye redet am Anfang wenig, mehr als „danke schön“ und „alle zusammen“ kommt nicht. Martin am Bass trägt eine Melone und ordnet sich unter, DJ Mister Six darf hin und wieder ins Zentrum rücken mit Scratches, die an Breakdance erinnern. „The sea“, der vierte Song des Abends (und einer der schönsten der Band überhaupt), ist der erste, der von vielen erkannt und frenetisch bejubelt wird. Ab da redet Skye mehr, macht einen Witz über ihr Mineralwasser, das nach Tequila schmecke. Gitarrist Ross Godfrey greift dies auf und spricht von mexikanischem Wasser.
Die Band spielt ein Set, das sich ausgewogen aus der Diskografie und dem neuen Album „Head up high“ bedient. Ross kündigt ein Cover an; nein, auch wenn es mit dem Tod von Lou Reed einen aktuellen Anlass gebe, es werde kein Stück aus dessen Nachlass genommen. Sondern David Bowies „Let’s dance“, bei dem die Sängerin funky und die Band spielfreudig ist. Bei „Release me now“, einem der stärksten neuen Songs, wird das Gibson zur Mitklatschdisko, sogar der Double Clap klappt. Nach einer Stunde und zehn Minuten ist Schluss.
Morcheeba lassen sich lange feiern, bevor sie wieder auf die Bühne kommen. Skye präsentiert sich nun komplett im Glitzeranzug und erinnert an alten Disco-Glamour, indem sie kurz „You’re the one that I want“ (von Olivia Newton-John und John Travolta) ansingt. Als Einstieg in den Nachschlag wird „I’ll fall apart“ aufgetischt, eine recht schwache Ballade vom neuen Album, die live in Frankfurt aber ungeahnte Kräfte hinzu gewinnt. Der locker und leicht geschlagene Soulpopsong „Rome wasn’t built in a day“ verstärkt das Partygefühl im Saal, bevor sich Morcheeba mit „Face of danger“ vom neuen Album verabschiedet.
„Wir brauchen einfach das Gefühl, uns vorwärts zu bewegen und Fortschritt zu machen.“, sagt Paul Godfrey im Interview. „Alles, was wir mit einem neuen Album schaffen wollen, ist dies: Die alten Fans von den Füßen zu blasen und neue zu gewinnen“. Diese Rechnung könnte an diesem Dienstagabend im Oktober aufgegangen sein.
Allerdings offenbarten die Briten beim Thema Fanbetreuung Nachholbedarf: das Trio hätte nach der Show am Merchandisingstand Autogramme geben können, denn dort warteten gestandene und neu hinzugewonnene Anhänger, die 40 Euro in die Abendkasse eingezahlt haben. Morcheeba kann hier von Musiq Soulchild lernen, der bei seiner Show im Gibson jeden Gast glücklich gemacht hat.
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