Konzerte von ranghohen Soulkünstlern in Deutschland sind die Ausnahme. In der Regel touren durchschnittlich begabte Revuesänger mit Motown-Nummern durch teutonische Hallen – da kann man sich gleich die CD mit Covern von Phil Collins zulegen.
Insofern war der von rap2soul.de und Out4Fame präsentierte Auftritt im Frankfurter Szenekeller Gibson keineswegs eine Selbstverständlichkeit, eher ein Testfall. Ergebnis: bestanden.
Im schon rein optisch amerikanisierten Downtown Frankfurt hatte der US-Superstar ein Heimspiel vor vollem Haus, natürlich ließen sich viele in Wiesbaden ansässige Soldaten bzw. deren Gattinnen diese Show nicht entgehen. Lokale Soulprominenz wie Kaye-Ree aus Offenbach (neues Album: „New air“ auf Reelement Records) wurde auch im etwas älteren Publikum gesichtet, in dem sich sogar vereinzelt Anzugträger aus den benachbarten Türmen herumtrieben.
Schon während der Feinjustierungen auf der Bühne war die Wartezeit nicht unangenehm. Oft prägt mieser Sound das Vorprogramm, doch die Out4Fame-DJs legten u. a. Mary Mary, Maxwell und Mary J Blige auf. Dann kamen Musiq und Band, sahen und siegten. Der Crooner mit XXL-Sonnenbrille testete zunächst die Crowd mit Motown-Anspielungen und entschied sich natürlich, nur eigene Tracks zu geben. Er könne über fünf Stunden singen, „no“, das mache er natürlich nicht. Musiq gab sich locker und cool – auch im Umgang mit den so genannten „neuen Medien“ (die so neu nun nicht mehr sind). Wer teile seine Fotos bei Instagram, wer im Publikum twittere, er könne fotografiert werden und freue sich darüber, wenn die Bilder geteilt würden. Soulchild ist dahin gehend fast schon ein Vorreiter, an dem sich andere ein Beispiel nehmen sollten, die Pressefotografen einschüchtern und Bilder nur während der ersten drei Lieder erlauben.
Seine Fans, die aus allen Ecken Deutschlands nach Frankfurt gereist waren, bekamen einen Querschnitt aus vielen Alben und 13 Karrierejahren präsentiert, darunter Hits wie „Teach Me“ und „Just Friends“. Der Multiplatin-Künstler aus Philadelphia konnte sich dabei auf das Wissen des Schwarms im Saal verlassen, denn der vielstimmige Chor war textsicher bei Strophen und Refrains.
Musiq war Musiq & Band. Nicht nur der musikalische Direktor an Bass und E-Piano zeigte sich virtuos. Der Keyboarder stand hinter einem Bollwerk aus Tasteninstrumenten, das auch Jean Michel Jarre gereicht hätte. Auf- und ohren(ge)fällig auch der Gitarrist, der die Funkiness von Nile Rogers (Chic) verinnerlicht hatte, während sich die Melodieläufe sowie die mit dem Daumen angeschlagenen Oktavketten am Spiel von Wes Montgomery und George Benson orientierten. Als Musiq seinem derzeitigen Wohnsitz Tribut zollte und seine Begleitung wuchtigen Southern Hiphop-Style aus Atlanta spielen ließ, brannte die Hütte. Und der Drummer musste sich bei diesen für Musiq atypischen Rhythmen hinter seinem „Duschvorhang“ wie in der Sauna gefühlt haben.
So ab gedroschen die Phrase, so passend ist sie: es war ein gelungener Abend. Zwar gaben die Musiker nur einen Song als Nachschlag, dafür stand Musiq geduldig und freundlich für jeden (!) Besucher bereit, der um ein Erinnerungsfoto und kurzen Small Talk bat. Diese ganz große Geste eines ganz Großen des Contemporary Soul muss hier gebührend gewürdigt werden; auch vor dem Hintergrund, dass andere Stars mit meet & greets Geld machen.
Der Testfall, einen US-Soulsänger der höchsten Liga nach Franfurt zu holen, ist bestanden. Mit der Note „sehr gut“. Out4Fame, die in ihrer Rhythm & Soul-Reihe zuletzt Boyz II Men, Keith Sweat und Trey Songz präsentierten, sollten die Dankesfeier im Gibson Club als Bestätigung betrachten und entsprechend nachlegen. Zunächst kommt Nas am 8. Juli in die Union Halle. Ein Bilal, ein Anthony Hamilton, ein John Legend oder ein Maxwell hätte mit dem Publikum im Rhein/Main-Gebiet sicher ebenfalls seinen individuellen Spaß.
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