Fast zwei Jahrzehnte nach dem fulminanten Album “My Life” hätte es volle Punktzahl gegeben, wenn sich die „Q. Of H.H.-S.“ nicht einen ärgerlichen Ausrutscher geleistet hätte. Das Kritikerohr freute sich zunächst sehr über eine von Euro-Trash und Guetta-Gestampfe befreite Zone sowie über eine Künstlerin, die ungestüm und hungrig wie ein Teenager auftritt. Die nach vorn drängt, der ein Tag nicht ausreicht („25/8“). Und dann muss sie ausgerechnet in die Domäne von Chaka Khan einmarschieren und gemeinsam mit Darkchild „Ain’t Nobody“ niederwalzen! Was haben sie und die Albumkuratoren sich dabei nur gedacht?
Sollte es der schnelle Hit sein nach dem alten Puffy-Prinzip „Take A Hit Make a Hit“? Dabei hat Mary’s Musik nichts von ihrer Kraft eingebüßt – allein formal hätten die 17 Stücke alle Anlegeplätze eines Doppelalbums besetzt. „Why“ erinnert an ihren schönsten Seelenbalsam „Be Happy“; „The Living Proof“ ist Old School in bester Manier, auch wenn die Orchestrierung Kosten sparend am Computer erfolgte.
In Mary’s Beats pulsiert weiterhin Manhattan: wer ihren Soul inhaliert, atmet immer auch den Dieselruß der Gelenkbusse ein, die Harlem auf der Horizontalen verbinden. Neben Nas, einem „King of HipHop-Soul“, holt sich Mary die Rapmänner der Stunde wie Drake, Rick Ross und Lil Wayne dazu. Dieser erste Akt im zweiten Teil von „My Life“ konnte in diesem Jahr niemand toppen – wenn Jill Scotts Meisterwerk „The light of the sun“ in der Einschätzung außen vor bliebe.
Künstler: Mary J. Blige | Album: My Life II…The Journey Continues (Act 1) | Label: Geffen Records/Universal | VÖ: 18. November 2011
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