Neues Album von Sérgio Mendes „Born Tempo“ – Brasilianische Rhythmen und moderne Grooves in unwiderstehlichen Klangcocktail

Sergio Mendes (Foto: Concord Music Group)
Sergio Mendes (Foto: Concord Music Group)

Der „Großmeister“ der anspruchsvollen „Gute-Laune-Musik“ bringt neues Album „Bom Tempo“. Wenn der brasilianische Ohrwurmspezialist Sérgio Mendes ein neues Album auf den Markt bringt, dann weiß man, dass der Sommer nicht mehr allzu fern ist, und kann sich mit seinem vor Lebensfreude schier überbordenden Soundmix schon einmal musikalisch auf die heiße Jahreszeit einstimmen. So war es 2006, als Mendes mit seinem fabelhaften Comeback-Album und Concord-Debüt “Timeless” sowie dem rundumerneuerten 60er-Jahre-Hit “Mas que nada” weltweit die Charts und einen Latin-Grammy eroberte. Und so war es auch 2008, als er die Liebhaber ebenso exzellenter wie eingängiger Musik mit dem Nachfolgeralbum “Encanto” bezauberte. Beide Male verwendete er dasselbe Erfolgsrezept, indem er ohne Scheu prominente Gäste aus der amerikanischen Popszene mit hochkarätige Musikern aus Brasilien, Bossa- und Sambaklassiker mit Songs der zeitgenössischen MPB und Originalen sowie originäre brasilianische Rhythmen und moderne Grooves zu einem unwiderstehlichen Klangcocktail zusammenrührte. Nun folgt mit “Bom Tempo” der dritte Streich, der dem bewährten Muster folgt und doch wieder erstaunlich frisch und unverbraucht anmutet.

“Das ist ‘bom tempo’-Musik, Gute-Laune-Musik”, sagte der seit langem in Los Angeles lebende Brasilianer, der das Motto der CD gleich in einem griffigen portugiesischen Titel zum Ausdruck bringen wollte. “Auf der CD geht es um gute Laune, gutes Wetter, gute Tempi. Das Album soll den Hörern etwas von der Vielfältigkeit, Lebensfreude und Sinnlichkeit der brasilianischen Musik vermitteln. Mit einer Reihe von brasilianischen und amerikanischen Musikern spiele ich hier Songs, die ich teilweise schon einmal früher und teilweise noch nie aufgenommen hatte.”

Wie auf seinen beiden ersten Concord-Alben präsentiert Sérgio Mendes auch auf “Bom Tempo” Stücke, die von der Crème de la crème der brasilianischen Songwriter verfasst wurden: von Antônio Carlos Jobim, Gilberto Gil, João Donato, Carlinhos Brown, Jorge Benjor, Milton Nascimento und Moacir Santos. Darunter schmuggelte er indes auch ein Lied seines alten Freundes Stevie Wonder (der 2006 auf “Timeless” einen Gastauftritt absolvierte), das dieser 1977 eigens für Mendes geschrieben hatte: “The Real Thing” erschien damals auf dem Album “Sérgio Mendes And The New Brasil ‘77” (und wurde erst kürzlich von Bebel Gilberto für ihr neues Album “All In One” gecovert). Im Studio versammelte der Maestro dann eine Band, die größtenteils aus langjährigen Freunden und musikalischen Mitstreitern besteht (etwa den Schlagzeugern Mike Shapiro und Vinnie Colaiuta, den Bassisten Nathan Watts und Alphonso Johnson, den Gitarristen Paul Jackson Jr. und Kléber Jorge, Perkussionist Gibi, Sängerin Gracinha Leporace – die auch die Ehefrau des Bandleaders ist – und dem Songwriter, Arrangeur, Perkussionist und Sänger Carlinhos Brown), aber auch ein paar neue Gesichter enthält.

Das bekannteste der neuen Gesichter gehört Milton Nascimento, der zum Repertoire des Albums “Caxangá” beisteuerte, ein stimmungs- und geheimnisvolles Kinderlied, das er 1977 für Elis Regina geschrieben und selber bisher nur einmal aufgenommen hatte. Ein weiterer Gast aus Brasilien ist Seu Jorge, der seine Karriere in den 1990er Jahren bei der Band Farofa Carioca begann und spätestens seit seine Mitwirkung in dem hochgelobten Film “Cidade de Deus” weltweit bekannt ist. Seu Jorge tritt auf “Bom Tempo” gleich zweimal ins Rampenlicht: mit Jorge Mautners “Maracatu atômico” (das in den 70er Jahren ein Hit für Gilberto Gil war und 1996 von Chico Science und seiner Nação Zumbi brillant neuinterpretiert wurde) und Moacir Santos’ “Maracatu, Nation Of Love”. Zu hören sind auf diesem Album außerdem die jungen, talentierten Sängerinnen Katie Hampton und Nayanna Holley sowie eine schneidige Hornsection, bestehend aus Saxophonist Scott Mayo, Trompeter Bill Churchville und Posaunist Andrew Lippman. Mit von der Partie sind auch noch Gitarrist Jack Majdecki und der brasilianische Rhythmus-Designer Mika Mutti, die schon vor zwei Jahren zur Besetzung von “Encanto” gezählt hatten.

Das Album beginnt mit einer temperamentvollen, Chant-ähnlichen Interpretation des Gilberto Gil/João Donato-Songs “Emório”, bei dem Nayanna Holley und Carlinhos Brown den Lead-Gesang übernahmen. Brown steuert auch die funkige Rap-Einlage bei, in der er bekannten brasilianischen Songwritern seine Reverenz erweist. Untergemischt wurden zudem noch Zitate aus den Mendes-Hits “Mas que nada” und “The Frog” sowie Gilberto Gils “Aquele abraço”. Dann folgt das Dancefloor-orientierte Juwel “Maracatu atômico”, impulsioniert von der fetzigen Hornsection und dem perkussiven Beat, der auf den afro-brasilianischen Maracatu-Rhythmen aus Recife basiert. Denselben Rhythmus greift auch “Maracatu, Nation Of Love” auf, in dem Gracinha Leporace und Seu Jorge im Duett zu hören sind.

“Bom Tempo” bietet noch einige andere brasilianische Klassiker in neuem Gewand: die bekanntesten davon sind Tom Jobims “Caminhos cruzados” und “Só tinha de ser com você” sowie Jorge Benjors karnevaleskes “País tropical”. Eine Frischzellenkur erhielt auch Chico Feitosas “Ye-Me-Le”, das Mendes erstmals 1969 auf seinem gleichnamigen Album mit der Band Brasil ‘66 vorstellte. Der coole Rap der neuen Version stammt vom neuen Bandmitglied H2O. Ein Remake gibt es außerdem von dem Hit “Magalenha”, den Carlinhos Brown 1991 für Sérgios Album “Brasileiro” schrieb (für das Album erhielt Sérgio seinen bislang einzigen “normalen” Grammy). Der Songwriter ist in dieser neuen Version selbst als Steel-Gitarrist, Rapper und Body-Perkussionist zu hören. “Carlinhos war für zwei Wochen in Los Angeles, und so beschlossen wir eine neue, spezielle Version seines Songs zu erarbeiten”, erzählt Sérgio Mendes. “Ich sagte: Lass uns eine 2010er Version machen, die nicht nur großartige brasilianische Musik präsentiert, sondern auch eine Hommage an die diesjährige Fußballweltmeisterschaft ist. Da einige Spiele in Kapstadt gemacht werden, kam ich auf die Idee, ein paar Zulu-Worte in den Text einzubauen.”

Sérgio Mendes ist – wie eigentlich jeder Brasilianer – auf das brasilianische Kulturerbe stolz und weiß natürlich bestens, dass die Musik seines Heimatlandes eine besondere Magie ausstrahlt und unglaubliche Verführungskraft besitzt. “Es begann mit Jobim, dessen Songs von Stan Getz und Charlie Byrd mit Astrud und João Gilberto vertont wurden. Dann spielte ich selbst mit Cannonball Adderley. Ron Carter, Frank Sinatra und Ella Fitzgerald arbeiteten wiederum mit Jobim zusammen. Und später stellte David Byrne all diese Compilations zusammen [gemeint ist die Serie “Brazilian Classics”, die der Ex-Talking-Head ab 1989 bei seinem Label Luaka Bop herausgab], mit den unterschiedlichsten brasilianischen Musikern, die alle möglichen Stile spielten. Dass die Faszination der brasilianischen Musik nichts von ihrer Kraft verloren hat, zeigten meine beiden letzten Alben ‘Timeless’ und ‘Encanto’, bei denen ich mit amerikanischen Künstlernwie will.i.am und Fergie von den Black Eyed Peas, John Legend und India.Arie zusammenarbeitete. Es gibt so viele Menschen, die unsere Musik lieben und dabei helfen, sie dem Publikum in aller Welt näherzubringen. Als ich vor einiger Zeit in London die Mitglieder der Dance-Music-Gruppe Bimbo Jones kennenlernte, die alle so Anfang 20 sind, erzählten sie mir, dass sie sich auf YouTube ständig alte Videos von Brasil ‘66 reinziehen. Das zeigt einem, dass brasilianische Musik eine universelle Zugkraft besitzt und zeitlos ist….”

Und dasselbe kann man zweifellos auch von Sérgio Mendes sagen.

www.sergiomendes.de

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