Der alte Eierspeicher am Osthafen in Berlin-Friedrichshain. Das Gebäude an der Oberbaumbrücke gehört zu einer Region, die heute unter der Bezeichnung Mediaspree bekannt ist. Die Europazentrale der Viacom mit ihren Sendern MTV und Viva befindet sich am Flussufer, der alte Eierspeicher wurde umgebaut zur Zentrale der Musikindustrie. Hier ist Universal Records.
Die U-Bahn fährt ein, die Interviews haben wieder Verspätung. Die Musikredakteure sind es gewohnt. Abends wird es eine Showcase geben. Die Jungs sind gerade erst aus Hamburg gekommen, da waren sie gestern. Ich treffe erstmals in meinem Leben eine australische Hip Hop Formation. Premiere! Rapper aus Japan hatte ich schon mal. Das war witzig, ging nur mit Dolmetscher. Für das Rap-Trio Hill Top Hoods reichen meine Englischkenntnisse aus. Das Aquarium vor dem Raum in dem das Interview stattfindet wurde entweder den zunehmenden Schwierigkeiten der Musikindustrie geopfert oder aber es hat sich niemand für die Fische zuständig gefühlt. Einige Sandreste sind auf dem Glasboden erkennbar, ansonsten ist es wohl schon mehrere Monate trocken wie die Wüste im Herzen von Australien.
Das Rap-Trio Hilltop Hood stammt aus der australischen Hauptstadt Adelaide, hat sich 1991 gefunden. Ihr neues Album heißt „State Of The Art“. Vor mir sitzen MC Suffa, Pressure und DJ Debris.
Hilltop Hood im Interview mit rap2soul-Redakteur Jörg Wachsmuth
Rap2soul: Für mich ist es eine Premiere, ihr seid die ersten Vertreter des Hip Hop aus Australien die ich treffe. Ich hoffe ihr hattet eine gute Reise. Seid ihr zum ersten Mal in Deutschland?
Hilltop Hood: Wir sind das dritte Mal in Deutschland und zum zweiten Mal in Berlin.
Rap2soul: Mit dem Album „State Of The Art“ veröffentlicht ihr zum ersten Mal eine CD in Deutschland. Wo sind die Unterschiede zum letzten Album?
MC Suffa: Das neue Album ist härter als das letzte Album. Unser letztes Album war mehr souliger, hatte Jazz-Elemente. Das neue ist eindeutig härter. Hat mehr Sample, Gitarrenriffs und Drums.
Rap2soul: Noch mal nachgefragt, ihr als Band seid jetzt härter?
MC Suffa: [lacht] Die Musik.
Pressure: Das neue Album ist aggressiver.
Rap2soul: Wie kam es, dass das neue Album aggressiver ist. Hat das was mit dem eigen Label zu tun?
MC Suffa: Nein, es war einfach so. Wir hatten mehr harte Beats gemacht. Wenn du einen aggressiven Beat hast, dann wird das auch ein aggressiver Track. Es ist etwas, was über die Zeit einfach passierte.
Rap2soul: Warum habt ihr ein eigens Label gegründet?
MC Suffa: Es gibt zwei Hauptgründe, warum wir ein eigenes Label gegründet haben. Erster Grund: Wir können nun Partner werden mit Leuten in Europa, auch hier in Deutschland, und Nord-Amerika. Jetzt sind wir in der Lage das Album zu pushen. Das ging vorher nicht, weil wir bei einem Independent Label unter Vertrag waren. Der zweite Grund ist, wir können jetzt Upcoming-Artist in Australien unterstützen. Jetzt können wir eine helfende Hand für die Talente geben, die unserer Meinung nach gefördert werden müssen.
Rap2soul: In der australischen Rap-Szene kenne ich mich nicht aus. Wenn ihr eure Heimat mit Deutschland, also Europa oder den USA vergleicht, ihr habt mit Pharoahe Monch zusammengearbeitet, wo sind die Unterschiede, gibt es welche?
MC Suffa: Wir sind in Australien unabhängiger, weil wir einfach weit weg sind. Es gibt nicht so viele Gimmicks im Hip Hop. Vermutlich ist es ein wenig straighter Hip Hop als in den USA. Als Pharoahe Monch das erste mal da war, hat er beeindruckend gesagt: Es ist hier, wie Hip Hop in den frühen 90er in New York war.
Pressure: Die Australier, die Hip Hop hören, stehen auf den Sound der 90er. Ich glaube wir lieben einfach noch mehr Old School, der Sound ist verdammt populär bei den Jugendlichen.
Rap2soul: Es gibt hier viele Leute, die davon reden, der Hip Hop sei tot. Vergleicht es mit Nas, er hat gesagt „Hip Hop Is Dead“. Vermutlich werdet ihr es auf dem Splash erleben. Es gibt eine neue Mischung aus Elektobeats und Rapmusik, ist das in Australien auch so?
Pressure: Nein, wir bekommen es erst in 15 Jahren.
Rap2soul: In Deutschland gibt es eine Menge von Gangster-Hip Hop. Das sind Leute wie Sido oder Bushido, die das vertreten. Gibt es so etwas in Australien auch?
Pressure: Nein, wir haben keine Gangster in Australien.
MC Suffa: Ich hab Sido gehört, es ist hart, weil ich die Texte nicht verstehe, aber allein von dem Beat her. Es gibt in Australien nichts Vergleichbares.
Rap2soul: Also ist die Black Musik in Australien nicht vergleichbar mit dem Rest der Welt?
MC Suffa: Wir haben keine Gangsta-Rap-Szene.
Rap2soul: Zurück in das Jahr 1991. Wie hat es angefangen mit Hilltop Hood?
MC Suffa: Wir haben uns in der Highschool getroffen.
Pressure: Wir hatten einen gemeinsamen älteren Freund, der hat uns illegal in diese Rap-Clubs gebracht, wir waren doch noch keine 18. Es gab Open-Mic-Abende und Rap-Battle. Später sind wir aufgetreten, veröffentlichten unsere erste LP 1999.
MC Suffa: Ja, in den 90er war es das High-School-Ding. Wir haben Demotapes gemacht und Promoauftritte.
Rap2soul: Es heißt ihr seid die beste Live Band in Sachen Rap in Australien.
MC Suffa: Wir machen eine Menge Live-Gigs. Wenn wir zurück sind aus Deutschland, geht es in Australien auf Tour. Im Dezember geht es nach Kanada, danach wieder durch Australien. Wir sind viel on the Road.
Pressure: Ich glaube wir machen 100 bis 120 Shows pro Jahr.
Rap2soul: Ihr hattet 2003 euren Durchbruch mit dem Album „The Calling“.
MC Suffa: Ja, all die Radio-Stationen spielten uns auf einmal.
Rap2soul: Was war damals los in Australien?
MC Suffa: Ich glaube es brodelte einfach. Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Hip Hop kam auf einmal auf, ging auf die Festivals. Es war die Wiedergeburt der Rap-Musik in Australien. Der zweite Anlauf. Schon in den frühen 90er war Hip Hop groß, verschwand zwischendurch aber irgendwie wieder.
Rap2soul: Was hat sich für euch geändert?
MC Suffa: Wir müssen nicht mehr in die Fabrik arbeiten. [lacht]
Pressure: Wir reisen durch die Welt, können von unserer Musik leben. Das ist das Beste, was uns passieren konnte.
MC Suffa: Es ist deutlich besser als in der Fabrik zu arbeiten.
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