Ne-Yo – Year Of The Gentleman

Innovation wird überbewertet. Ne-Yo beeindruckt auf seinem dritten Longplayer mit Premium-R&B moderner Art, der sich gerade durch seine Bodenständigkeit auszeichnet. „Year Of The Gentleman“ ist ein abwechslungsreiches R&B-Album mit guten Ideen, bestens auf einander abgestimmten Songs, die ausgezeichnet produziert sind.

Während sich die Tracks klar von einander unterscheiden und gerade bei wiederholtem Hinhören mit ihren Details überzeugen, enthält „Year Of The Gentleman“ keine einzige Überraschung. Kein einziger der Tracks fällt aus dem Rahmen, kein einziges Lied könnte als Experiment oder als Versuch, Grenzen zu überschreiten, angesehen werden.

Ne-Yo – Year Of The Gentleman (Cover)
Ne-Yo – Year Of The Gentleman (Cover)

Dafür bin ich Ne-Yo dankbar, obwohl ich inzwischen auch an dem Punkt angekommen bin, das oft gehörte Einerlei aus ödem Brei vieler in den Charts erfolgreicher Black Music-Künstler zu beklagen. Da muss etwas passieren, soll Black Music ihren inzwischen ernormen Stellenwert in den nächsten Jahren nicht einbüßen.

Doch Ne-Yo ist mit seinem „Year Of The Gentleman“ nicht der passende Adressat für Beschwerden über die Qualität von R&B-Musik, obwohl er als Songschreiber und Produzent in den letzten Jahren Black Music zu einem gewissen Anteil mit geprägt hat.

Nein, an Ne-Yo liegt es nicht, wenn etwas mit R&B nicht stimmt, denn bei Ne-Yo stimmt die Qualität. „Year Of The Gentleman“ enthält keinen einzigen verzichtbaren Füll-Track, den man sich besser gespart hätte. Sein drittes Album enthält dafür auch nur ein glattes Dutzend Songs, was mittlerweile eher eine kleine Zahl ist. Es genügt, diesmal habe ich nicht das Gefühl, zu wenig für den Preis eines Albums zu erhalten, die zwölf Songs sitzen so gut wie des Künstlers Maßanzug auf dem Cover zu „Year Of The Gentleman“.

Einen guten Teil der Tracks hat das norwegische Songschreiber- und Produzententeam StarGate produziert, welches 2005 mit „So Sick“ für Ne-Yo auch ihren eigenen Durchbruch hatte. „Miss Independent“, „Mad“, „Back To What You Know“ sowie die Vorabsingle „Closer“ haben StarGate gemeinsam mit Ne-Yo produziert. „Closer“ brachte Ne-Yo auf zahlreiche Top-Positionen in den Charts, darunter auf Platz 1 in den U.S. Billboard Hot 100, den U.S. Billboard Hot 100 Airplay, den U.S. Billboard Hot Dance Club Play sowie den UK Single Charts.

Weitere Produzenten für „Year Of The Gentleman” sind Chuck Harmony („Stop This World“, „Part Of The List“), Shea Taylor („Lie To Me“), Scyience („So You Can Cry“), Shomari Wilson (“Fade Into The Background”), Stereotypes („Why Does She Cry“), Polow da Don („Single“) und Ne-Yo selbst alleine beim besonders gelungenen „Nobody“.

Bei “Nobody” fühlt man sich an gute Zeiten von Michael Jackson erinnert, Ne-Yo könnte, sollte es mal mit seinen eigenen Songs nicht mehr laufen, als Michael Jackson-Imitator arbeiten, so sehr erinnert “Nobody” in Stil, Instrumentierung und nicht zuletzt Klang an ihn, auch wenn man bei genauem Hinhören beide Stars nicht verwechseln wird. Wie gut Ne-Yo den Michael Jackson-Sound bei „Nobody“ präsentiert, ist indes nicht bloß verblüffend, sondern dürfte MJ-Fans schwer ums Herz werden lassen. Solche Songs wünschen sie sich für ein Comeback.

Der Tempomix der zwölf Tracks auf „Year Of The Gentleman“ ist ausgewogen, eingängige und etwas komplexere Beats stehen ebenso in einem angenehmen Verhältnis zueinander, die Lieder bieten gerade genügend Neues, um interessant zu wirken, bleiben aber auf gewohntem R&B-Terrain. Ungewöhnlich ist allein der Verzicht auf Gastkünstler.

Falls man Ne-Yo überhaupt etwas vorhalten kann, ist es, dass „Year Of The Gentleman“ so ausgewogen und auf Perfektion bedacht ist wie eine Bewerbungsmappe, sich Ne-Yo wie bei einem Bewerbungsgespräch nur von seinen starken Seiten präsentiert, jedes Risiko vermeidet, sondern sich als Könner zeigt, der überdurchschnittliche Leistung bringt, die Regeln und üblichen Abläufe der Firma jedoch nicht infrage zu stellen beabsichtigt.

Künstler: Ne-Yo | Album: Year Of The Gentleman | Label: Def Jam | VÖ: 12. September 2008 | Album des Monats: Oktober 2008

Über Oliver Springer 339 Artikel
Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.

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