rap2soul war für Euch in Mannheim auf dem Konzert von Alicia Keys. Ein großartiger Soulabend sollte es am 23. Oktober 2008 werden. Schon das Vorprogramm in der SAP-Arena war eigentlich kein Warm-up, sondern der Auftritt eines Haupt-Acts: Solange Knowles demonstrierte, dass sie weit mehr als nur die kleine Schwester von Beyonce ist.
In der halben Stunde, die ihr bei mäßig eingestelltem Sound dafür blieb, stellte sie Stücke vor aus ihrem zweiten Album „Sol-angel and The Hadley Street Dreams“. Ihre Musik: anspruchsvolle Songs mit Widerhaken – entfernt von massentauglichem R & B. Das das Mannheimer Publikum sie nicht kannte, nahm die hübsche Sängerin gelassen. Trotz eher – nun ja – braven Beifalls spulte sie cool und gelassen ihr Programm ab – begleitet von einer versierten vierköpfigen Backing-Band. Die Jungs sahen zwar aus wie Bubis, hatten aber den Groove. Solange Knowles wird in Deutschland über den Geheimtipp-Status nicht hinauskommen. Solange ihre Schwester Beyonce gut im R & B-Geschäft ist, kann sie es sich leisten, Kunst zu machen…
Nachdem die letzten Ignoranten mit Bier und Brezeln versorgt ihre Plätze eingenommen hatten, begann Alicia Keys ohne größere Umbaupause ihr Konzert. Als ihr Verdienst ist ja zunächst festzuhalten, nach einem anspruchsvollen Soulalbum mit den nächsten Releases die Masse erobert zu haben, ohne sich prostituieren zu müssen.
Der Sound war – anders als bei Solange Knowles – zumindest auf den privilegierten Rezensentenplätzen kristallklar. Zwei Backgroundsängerinnen sekundierten, ein Sänger mit Crooner-Qualitäten moderierte, rappte und entertainte, Bläser, Percussions, Drums und Keyboards bildeten einen Umkreis um einen Flügel, an dem die Keys hin und wieder Platz nahm. Wenn sie nicht gerade umher sprang, eine wilde Orgie an den Synthesizern feierte oder die Mannheimer führte.
Ein Amerikaner wollte sie wohl verführen: „What’s your number“ rief der Kerl, der ihren Reizen erlegen war, in den Saal, der dafür durchaus Verständnis zeigte. Alicia wies den Baggerversuch charmant zurück: es gebe da jemanden, der die Nummer habe. Zurück zur Musik: „You don’t know my name“, „Teenage love affair“, „My boo“ – sie vergaß keinen ihrer kleinen und großen Hits. Am intensivsten waren die Momente, in denen sie am zentralen Flügel saß.
So muss es gewesen sein, als die kleine Alicia in New York Nachmittag für Nachmittag zuhause geklimpert und gesungen hat. Dass sie jetzt weltweit in den Herzen der Soulliebhaber ist, lässt an eine Gerechtigkeit im Business glauben, die beim Blick auf die Tracklist des aktuellen BRAVO-Samplers verloren gegangen schien. Höhepunkt des Konzerts war zweifelsohne „Fallin’“: die Keys lebte ihr klassisch geprägtes Können am Flügel aus und riss wieder einmal vermeintliche Grenzen zwischen so genannter U- und E-Musik ein. Mit dem Schlussstück „No one“ kam sie dem Rhythmusgefühl ihres deutschen Publikums am nächsten und die SAP-Arena tobte.
Und erklatschte sich „If I ain’t got you“ als Zugabe. Beim Herausgehen blickte ich in glückliche Gesichter. Ein begeistertes Mädchen hielt stolz ein selbst gemaltes Plakat hoch. „Alicia you are a super woman“ hatte die Kleine gepinselt und damit den Abend auf den Punkt gebracht (und mich auf die Idee zum Überschreiben dieser Konzertbesprechung…). Manchmal verteilen Gott bzw. Mutter Natur die Gaben nach einem Schlüssel, der sich nicht rational erklärt: Alicia gehörte zu den Glücklichen, die mehr abbekamen als andere. Sie hat eine expressive Soulstimme, beherrscht die Klaviatur des klassischen Pianospiels und sieht dazu nicht nur gut aus – diese Frau ist einfach umwerfend schön! Soweit so ungerecht – auf der Bühne überzeugte sie jedoch durch Leistung und Können. „multi-tasking superwoman“ deshalb, weil die Künstlerin einen hinreißenden Soulgesang darbietet und g l e i c h z e i t i g schwierigste Tastenkombinationen am Flügel zu meistern weiß.
Jeder Moment ihres Auftritts riecht nach dem Schweiß, der bei ihrem langjährigen Üben geflossen sein muss. Die Keys weiß, was sie heute kann; zelebrierte in ihrer Show aber den Unterschied zwischen selbstbewusster Bescheidenheit und Arroganz. Sie ließ ihr Publikum einfach teilhaben an ihren Gaben.
Autor: Torsten Williamson-Fuchs
PS: Leider können wir Euch keine Konzertfotos präsentieren. Das US-Management stellte dem lokalen Veranstalter in Mannheim durch, dass die akkreditierten Fotografen nach ein paar Songs die Halle zu verlassen haben. Rap2soul-Redakteur Torsten Williamson-Fuchs ließ nicht zu, dass Fotojournalisten unserer Berliner Redaktion stundenlang in der abendlichen Kälte im grauen Mannheim ausharren müssen, bis die Show zu Ende ist. Gelbe Karte dafür, dass Bildjournalisten nach getaner Arbeit das „Feierabendbier“ verwehrt wird!
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