Ice Cube – Raw Footage

Der lustige Kerl aus „Barbershop“ und „Sind wir schon da?“ beliefert aktuell wieder die Fans von Gangsta Rap: „Raw Footage“. Wer ihn nur aus seinen Filmen kennt, dürfte ihn in einem Album wie „Raw Footage“ nicht wiedererkennen, doch musikalisch stand Ice Cube schon immer für harte Raps, als Mitglied der Gruppe N. W. A. prägte er zusammen mit Dr. Dre, MC Ren., DJ Yella und Eazy-E nachhaltig den Stil von Westcoast Hip-Hop.

Immerhin verdankten die von den Mainstream-Medien ausgegrenzten Niggaz With Attitude ihren Durchbruch einem Brief des FBI, dass sich bei der Plattenfirma über den Track „Fuck Tha Police“ beschwerte und wollte, dass ihr Album „Straight Outta Compton“ vom Markt genommen würde.

In dieser Tradition steht Ice Cube heute noch mit seinen gesellschaftskritischen Texten auf „Raw Footage“, das er auf seinem eigenen Label Da Lench Mob veröffentlicht hat. Der Kritik, dass man „Raw Footage“ anmerken würde, mit eher kleinem Budget produziert worden zu sein, mag ich nicht folgen. „Raw Footage“ klingt nach echter Rapmusik, dafür braucht es kein dickes Budget eines Major Labels. Als Ice Cube seine Rapper-Karriere begann, waren die Möglichkeiten allgemein bescheiden, da mussten andere Prioritäten gesetzt werden und Hip-Hop war damals gewiss nicht schlechter als heute.

Eine Rapper-Legende wie Ice Cube hat eine große Auswahl bei den Produzenten, doch wäre es „Raw Footage“ sicher nicht besser bekommen, wenn die üblichen, angesagten Produzenten alle dabei gewesen wären. Sein Team aus David „Dizmix“ Lopez, DJ Crazy Toones, pNo, Djay Cas, Emile, Embeatz, Maestro, Polumbo Beats, Teak & Dee Underdue, Tha Bizness, Warren Campbell, Symphony Yung Fokus hat einen Longplayer voller Kraft geschaffen.

Es ist ein Album mit ganz viel Ice Cube, Gäste sind wenige auf „Raw Footage“: Young Jeezy unterstützt ihn auf „I Got My Locs On“, dem ersten Track hinter dem Intro, das sehr stimmungsvoll von Keith David gesprochen wird, Neo Soul-Sänger Musiq Soulchild gibt „Why Me?“ stimmlich Wärme, klingt dabei ein wenig wie Nate Dogg. Nate Doggs Cousin Danny Means alias Butch Cassidy ist dann allerdings tatsächlich dabei und lockert „Take Me Away“ auf. Doughboy unterstützt Ice Cube auf dem Track „Here He Come“, „Get Use To It” hat gleich zwei Gast-Rapper: The Game und WC. Das war es auch schon, denn auf der regulären Pressung ist die Live-Version von „Why We Thugs“ mit WC sowie der Remix von „Gangsta Rap Made Me Do It“ mit Scarface und Nas nicht enthalten.

Ice Cube füllt die anderen Tracks alleine bestens aus, ist stimmgewaltig und hat tatsächlich einen Flow wie ein Vulkan – so warnt das Intro „What Is A Pyroclastic Flow?“ Inhaltlich fährt Ice Cube schwere Geschütze auf. Wenngleich man nicht jeden Vers in einer Grundschule an die Tafel schreiben sollte, zeigt sich Ice Cube insgesamt konstruktiv in seiner Kritik und – das ist viel wichtiger – bietet Lyrics, über die man nachdenken und diskutieren kann, was leider für einen großen Teil von heutigen Hip-Hop-Alben nicht zutrifft. Belanglosigkeiten haben wir genug ertragen, da sind Provokationen mit Verstand eine Wohltat.

Obwohl Ice Cube sich selbst treu bleibt und der Sound nicht übermäßig modern klingt, ist „Raw Footage“ nicht nur für alte Fans ein Vergnügen. Nicht jeder Track auf „Raw Footage“ bringt einen neuen Sound, innovativ würde man nicht sagen zu dem, was dieses Album bietet, doch was Ice Cube zum Besten gibt, sind Kracher, einer nach dem anderen. Wem nach vielen weichgekochten Hip-Hop-Alben nach Rohkost ist, sollte „Raw Footage“ anhören.

Künstler: Ice Cube | Album: Raw Footage | Label: Da Lench Mob (Edel) | 19. September 2008

Über Oliver Springer 339 Artikel
Oliver Springer gehört neben Jörg Wachsmuth zu den Gründern von rap2soul. Er lernte Hörfunk ab 1994 bei JAM FM und moderierte dort fast 12 Jahre. Später war der ausgebildete PR-Berater er als Pro-Blogger tätig. Gemeinsam mit Wachsmuth entwickelte Springer den Digitalradiosender PELI ONE - Dein neues Urban Music Radio, bei dem er seit 2018 den Nachmittag in der Drive Time moderiert.

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