Wie in Köln und Berlin war auch der Konzertabend in Wiesbaden ausverkauft, nachdem die letzten 70 Tickets an der Abendkasse weg waren. Rund 1.700 Liebhaber von Rhythm & Blues bekamen am Sonntag (13. Oktober 2013) ein gut geschnürtes Dreierpack, das sich in seinen Bestandteilen am Abend erheblich steigerte. Nach dem Auftritt eines deutschen R & B-Sängers, der innerhalb seiner Möglichkeiten gut performte, drehten Jagged Edge mit Hits wie „Let’s get married“ und „Where the party at“ die Stimmungsschraube zügig ins Gewinde. Die größten Hits spielen – diesen Auftrag erfüllten die einstigen Zöglinge von Jermaine Dupri ohne Widerspruch. In der Band gab es noch einen Geburtstag zu feiern, wofür weibliche Partygäste gesucht wurden, doch dazu später. Die Umbauphase bis zum Auftritt von 112 zog sich etwas hin, der Pausen-DJ bemühte sich sehr, diese Länge zu überbrücken.
Das Quartett, das ebenfalls in A-Town zuhause ist (und den Namen des Clubs in Atlanta trägt, in dem es entdeckt wurde) ist stimmlich eine Klasse höher angesiedelt und das hörten kundige Ohren schnell. Ein Bandmitglied war etwas gehandicapt, weil es sich beim Basketballspielen verletzt hatte und nicht lange stehen konnte. Im Sitzen ging das harmonische Singen ebenso gut und die Blicke zog sowieso ein anderer Sänger auf sich, der sich für die vielen Ladys in der Rhein-Main-Halle das weiße Hemd vom Leib riss. Auch 112 lieferten eine Hitparade ihres Schaffens ab, vom unvermeidlichen Mit-Hit „I’ll be missing you“ bis zum wohl besten Song „Dance with me“. Obwohl die Show von 112 mehr als nur überzeugte, sollte Joe sie locker toppen. Zuvor übernahm DJ Big Steve die Pausenaufsicht über die hessische Halle. Er bediente den Computer im Sitzen und tanzte nicht nur den oft gespielten Black Party-Standard, sondern klickte die Mouse auch bei B.V.S.M.P. („I need you“). Joe nahm mit einer Mischung aus Bescheidenheit und Überzeugung von seinem Können die Rolle als König der R & B-Kings an, wobei er eigentlich und ohne Frage ein Soulman ist.
Obwohl er rein optisch ein wenig verloren auf der großen Bühne wirkte, störte dies nicht. Diesem Mann lässt jedes Publikum eine Halbplayback-Show durch gehen, solange der allein stimmlich hoch begabte Künstler nur auf der Bühne steht. Joe sang viele seiner Erfolge, darunter sein früher Babymaker „All the things (your man won’t do)“ und „Stutter“. Eine seiner schönsten Quiet Storm-Erfolge, „Another used to be“ blieb leider außen vor, dafür präsentierte er zur Akustikgitarre einen Track vom aktuellen Album „Doubleback: The evolution of R & B“.
Der Singer/SOULwriter unternahm zudem eine Wanderung durch die Fanreihen, die sich auch nicht jeder traut. Joe ging einfach von der Bühne und schlenderte beim Singen scheinbar ziellos durch die Anhängerschar, die überall dort, wo er schweißnass verharrte, aus dem Häuschen war. Er habe nur die Liebe direkt spüren wollen, sagte Joe bei der Rückkehr. Gleichzeitig kündigte er für 2014 eine neue Edition von „Doubleback“ an und versprach, mit seiner Band wiederzukommen. Mit Joe ging ein exquisiter Konzertabend in Wiesbaden zu Ende, zumal die atmosphärische Einheit im Saal bei seiner Zugabe ungefähr mit der eines Auftritts von Maze featuring Frankie Beverly vergleichbar war. Denn wie bei der legendären Liveaufnahme von „Joy and pain“ verschmolz King Joe bei einem letzten Call & Response mit seinen Untertanen. Like sunshine and rain, wobei an diesem Abend nur die Sonne schien.
Feucht und fröhlich ging es vermutlich bei der anschließenden After Show-Party mit Jagged Edge in Wiesbaden zu: Joe war noch nicht im Backstage-Bereich angekommen, da ließen Jagged Edge per Durchsage dazu auffordern, dass sich weibliche Singles gern am linken Bühnenrand einfinden dürfen. Königlich, oder?
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