12.06.2008
Heute wurden die Schlussplädoyers gehalten, zuerst von Staatsanwalt Heilingoetter, der nochmals alle Zeugen nannte, die Reshona und R. Kelly in dem Video erkannt haben wollen. Danach wurde nochmals in ganzer Länge in einem bis auf den letzten Platz besetzten Saal das sogenannte Beweißvideo gezeigt.
Die Staatsanwaltschaft setzte bewusst auf den Schockeffekt, den nackte Körper und sichtbarer Geschlechtsverkehr auf amerikanische Juroren hat, denn auch dieses Mal waren die Gesichter der agierenden Personen nur äußerst undeutlich zu erkennen.
Jeder einzelne Geschlechtsakt wurde von Heilingoetter komentiert, um die 14 verschiedenen Anklagepunkte zu dokumentieren.
Dann wurde das Schlussplädoyer der Verteidigung von Sam Adams Jr. gehalten. Er fasste die Zeugenaussagen der Familienmitglieder, der Experten und der Ermittler, die für R. Kelly aussagten, zusammen. Er betonte, dass die Eltern und auch Tanten und Onkel nachweislich immer sehr gut für Reshona gesorgt haben. Er sagte, in einem Falle von Missbrauch hätten diese Leute ganz sicher eigenhändig R. Kelly ein Bein gebrochen oder ihn zusammengeschlagen.
Außerdem hätte die Familie nach Bekanntwerden des Verdachtes sicher eine Verfügung erwirkt, die R. Kelly jeglichen Umgang mit Reshona verboten hätte. Alles dies ist nicht geschehen.
Der wichtigste Umstand ist jedoch die Tatsache, dass Reshona vor der Grand Jury 2003 unter Eid ausgesagt hat, dass sie nicht die Frau in dem Video ist. Die Staatsanwaltschaft hätte jederzeit Reshona zu diesem Prozess laden können, habe dies jedoch unterlassen, da sonst ihre ganze Anklage zerfallen wäre.
Sam Adams Jr. erinnerte die Jury daran, dass die Welt in Person von 186 Ländern, die über den Prozess berichten, auf Amerikas Justiz schaut und damit eine große Verantwortung einhergeht. (Schließlich hat Amerika oft genug bewiesen, dass schwarze Stars wie Jack Johnson, Joe Louis, der Boxer Hurricane, Muhamad Ali, Michael Jackson etc. vor Gericht gezerrt und äußerst fragwürdig behandelt werden.)
Adams erwähnte nochmals die Tatsache, dass Reshona niemals mit irgendjemandem darüber gesprochen habe, sexuell mit R. Kelly verkehrt zu haben. Adams wörtlich:“[…] ein 14-jähriges Mädchen, das Sex mit einem Star, nein einem Superstar hat, und dies niemandem, auch ihrer besten Freundin nicht erzählt, das ist einfach nicht glaubhaft.“
Zumal sie ihrem vertrauten Basketballtrainer Conway, der gleichzeitig Priester und Polizist ist, folgende Notiz als Dank geschrieben hat: Danke, dass du immer für mich da bist. Ich weiß, dass ich mich immer auf dich verlassen kann und du mir immer in jeder Situation helfen wirst.
Adams wies nochmals auf die Tatsache hin, dass Hauptbelastungszeugin Lisa van Allan angeblich ein zweites Sextape mit sich, Reshona und R. Kelly besessen hätte, das aber nach Eigenaussage für den lächerlichen Betrag von 20.000 Dollar an R. Kelly verkauft hätte. Außerdem erinnerte Adams an die Zeugenaussage des Ermittlers Palladino, der Gespräche mit van Allan und deren Verlobten Brown führte, in deren Verlauf die beiden Geld für van Allans Nichtaussage forderten.
Palladinos Aussage wurde von der Staatsanwaltschaft in Zweifel gezogen, obwohl Palladino einen Mitschnitt des Gesprächs vorweisen konnte. Dieser Mittschnitt durfte aber im Gericht nicht gehört werden.
Wichtig war auch der Hinweis, dass das von der Staatsanwaltschaft als Beweisvideo bezeichnete Band laut FBI-Bericht 2001 in Atlanta im dortigen Werk der Herstellerfirma hergestellt wurde. Lisa van Allan lebt in Atlanta.
Dann verwies Adams nochmals auf die Behauptung van Allans, R. Kelly hätte immer und überall eine Sporttasche mit diversen selbstgedrehten Pornos mit sich herumgetragen. Das hätte aber niemand außer van Allan je gesehen und bestätigt, auch die persönliche Assistentin R. Kellys konnte dazu nichts sagen.
Adams wies auf die Tatsache hin, dass sexuelle Beziehungen am Arbeitsplatz (R. Kellys Studio) kaum zu verheimlichen sind, wir bekommen schließlich alle mit, wenn unsere Kollegen dahingehend was zu laufen haben. Niemand, auch der engste Umkreis Reshonas und R. Kellys hat jemals irgendwelchen Verdacht geschöpft.
Adams stellte nochmals klar, dass Sparkle entweder vor Gericht oder bei ihrer Aussage während der Ermittlungen gelogen hat. Sie hat den Besitz des Videos bestritten, doch ihre Geschwister schworen, dass sie im Besitz des Videos war. Sparkle hat zuerst einen Anwalt eingeschaltet statt, das Video der Polizei zu übergeben. Ihr Verhalten während der ganzen Angelegenheit hat die Familie Edwards gespalten. Da Sparkle nach dem ersten Album von R. Kellys Plattenfirma gekündigt wurde, hatte sie jede Menge Gründe für Rache an R. Kelly.
Danach durfte die Staatsanwaltschaft in Person von Ms. Boliker nochmals die Argumente des Anwalts Adams in Frage stellen. Ms.Boliker stellte nochmals alle Zeugen, die Reshona und R. Kelly erkannt haben wollen, als besorgte Mitmenschen dar, die keinerlei persönliche Vorteile aus ihrer Aussage schöpften.
Das Video selbst sei Beweis genug und R. Kelly eindeutig der agierende, produzierende und dirigierende Verantwortliche und damit der Herstellung von Kinderpornografie überführt.
Als Grund für das Nichtvorladen Reshona Edwards gab Ms. Boliker an, das „Opfer“ schonen zu wollen, was Angesichts der Tatsache, dass Reshona bestreitet, dieses Opfer zu sein, schon fast lächerlich wirkt.
Danach zog sich die Jury, nach endlosen Verlesungen der möglichen Entscheidungen über alle 14 Anklagepunkte zur Beratung zurück. Nach zwei Stunden erbat die Jury das komplette Gerichtsprotokoll zum Nachlesen. Dieses Protokoll wird täglich live mitgeschrieben und erscheint über Computer zeitgleich zu den Aussagen im Pressearbeitsraum. Der Jury wurde allerdings mitgeteilt, das Protokoll stehe leider NICHT zur
Verfügung.
Amerika, die internationale Presse hat ein Auge auf diesen Fall, und meine Augen sind wach und kritisch.
Live aus Chicago
Beate Dyballa