Respekt! Miki Howard wird den Klassikern gerecht, vor allem, weil sie sich nicht zu sehr bemüht, die bekannten Versionen zu imitieren – was selten eine gute Idee ist. Stattdessen singt sie sie auf ihre eigene Art. Das macht die Tracks auf „Pillow Talk – Miki Sings The Classics“ nicht zu besseren Songs, gibt Black Music Fans aber einen Grund, sich ihre Interpretationen anzuhören.
Gleich für den ersten Song gilt aber doch, dass er besser ist: „I Can’t Stand The Rain“ klingt bei Ann Peebles zwar wunderbar organisch und bei Tina Turners synthetischer Fassung ist die Atmosphäre fantastisch dicht, doch Miki Howard verleiht ihm mit der Leidenschaft in ihrer Stimme eine Lässigkeit, mit der sie einfach noch mehr aus dem Stück herausholt.
„Do That To Me One More Time“ macht zwar den Eindruck, als hätte Miki Horward nicht alles gegeben, es wirkt ein wenig blass oder wie durch Watte gehört, ist aber eine schöne Smooth Jazz-Variante des Captain & Tennille Hits. Da lohnt ein Vergleich, wie Freddie Jackson das umgesetzt hat!
Bei „Go Away Little Boy“ verfolgt Miki Howard den jazzigen Ansatz von Marlena Shaw weiter. Weiterentwickeln zu sagen, wäre unpassend, weil Marlena Shaws Stimme sehr beeindruckend dabei ist und der Song auf seine Art brillant. Dennoch: Miki Howard lässt ihn richtig nach Vocal Jazz klingen, entspannt doch mit Kraft. Sie folgt eher der Art, wie Nancy Wilson, Trudy Kerr oder Shirley Horn ihn singen, lässt ihn aber nicht dermaßen zart und zurückhaltend wirken, weil sie mehr Kraft in ihre Stimme packt.
Einen so verführerischen Eindruck wie bei Sylvia macht der Titelsong „Pillow Talk“ bei Miki Howard nicht, dafür hat er bei ihr einen besseren Groove und entspannteren Flow, er ist sehr eingängig und ein prima Radiosong für die Abendstunden. Der jazzige Einschlag ist allgemeinverträglich.
Leon Russells „This Masquerade“, in der Version von George Benson ein gigantischer Erfolg, eignet sich hervorragend für Mikis Stimme. Wie sie das Lied singt, ähnelt mehr der Art, wie es Shirley Bassey tut, doch während es bei dieser groß wie auf einer prächtigen Bühne wirkt, kann man sich Miki Howard damit besser in einer kleinen Bar, die schon bessere Tage erlebt hat, vorstellen. Shirley Basseys Version würde gut zu einem James Bond-Film der alten Schule passen, Mikis eher zu einem kanadischen Fernsehkrimi aus den 90ern. Die Intimität, und intensiv-melancholische Stimmung überzeugen auf ganzer Linie. Miki Howard versteht es, den Song glaubwürdig rüber zu bringen und nicht nur zu singen.
Gesanglich kann Miki Howard bei „Inseperable“ ohne Frage mithalten, doch manch einer mag die Wärme vermissen, die Natalie Cole dem Stück verleiht. Natalie Cole klingt glücklich, Miki Howard eher traurig. War das Absicht?
Erst bei Boz Scaggs 1976er „Lowdown“ kommt der Eindruck auf, Miki wolle das Original einfach nur auf Smooth Jazz trimmen, aber sonst kopieren – prima gelungen! Wenn ein solcher Ansatz nicht auf ein ganzes Album angewendet wird, kann man so ein Stück besser genießen und Langeweile kommt nicht auf. Gut dennoch, dass „Lowdown“ eine Ausnahme bildet. Wer es entspannter und kreativer mag, sollte die Fassung von Jazzhole mit Leadsänger Marlon Saunders probieren, deren unaufgeregter Stil vor Ohren führt, auf was viele Künstler einfach mal verzichten sollten.
Wenn es einen Song gibt, den Miki Howard besser weggelassen hätte, dann ganz klar „Misty Blue“. Nicht etwa, weil er zu schlecht umgesetzt worden wäre, doch gibt es davon einfach schon zu viele Aufnahmen. Für sich genommen muss dies noch keinem neuen Versuch entgegenstehen, doch irgendwas Besonderes, Neues, Kreatives sollte ein Künstler dann schon anzubieten haben.
Das Original von Dorothy Moore ist schon mal richtig gut, Mary J. Blige weiß diesen Song mit Leidenschaft vorzutragen und bei Monica ist es (neben ihrer Gesangsleistung) die angenehme, leicht flauschige Atmosphäre, die dem Lied dabei einen leicht poppigen Einschlag verleiht. Hat man sich all diese Versionen angehört, haben es selbst Gwen McCrae und Ella Fitzgerald schwer und wirken möglicherweise sogar langweilig. Es gibt Songs, aus denen sich mehr und solche aus denen sich weniger machen lässt.
Sehr schön dagegen „Just Don’t Wanna Be Lonely“, das überraschenderweise fröhlicher und nicht melancholischer als das Original von The Main Ingredient wirkt. Entspannt, heiter, leicht – das steht dem Song so gut, dass er so sogar besser klingt. Ähnlich heiter – aber „karibisch“ – hatte das Lied schon Freddie McGregor zu Gehör gebracht. Irgendwo dazwischen steht Will Downing, der es auf seinem „Sensual Journey“-Longplayer singt.
„Which Way Is Up“ präsentiert Miki Howard nicht weniger funky als das Original von Stargard, das übrigens Titelsong für den gleichnamigen Film mit Starkomiker Richard Pryor war. Ihre Version klingt etwas technischer, vielleicht einen Tick zu sauber, aber sehr interessant und überzeugend, obwohl sie sich schon sehr nah an diesen Klassiker aus den späten 1970er Jahren hält. Bei Miki Howard kommt allerdings ein wenig Gospel-Feeling auf, es klingt ein wenig wie Lobpreis, wenn sie „Which Way Is Up“ schmettert.
Wer Bass und Stimme etwas aggressiver wünscht, probiert am besten mal, wie Marcia Hines das Lied für „Time Of Our Lives“ eingesungen hat.
FAZIT: Bis auf „Misty Blue“ bereichert die Künstlerin mit allen Liedern auf „Pillow Talk – Miki Sings The Classics“ die Auswahl, aus der Black Music Fans schöpfen können. Wer auf den Geschmack gekommen ist und die Sängerin mit mehr Coverversionen erleben möchte, kann diesem Wunsch mit dem Anfang der 1990er Jahre veröffentlichten „Miki Sings Billie“ tun, einem Tribute Album für Billie Holiday.
Künstler: Miki Howard | Album: Pillow Talk: Miki Sings The Classics | Label: Shanachie | VÖ: 15. September 2006