Wer an den Süden Deutschlands, genauer gesagt ans Stoiber-Land Bayern, noch immer als bierbäuchigen, sozial-kontrollierten und dialektisch-iosolierten Bauernstaat mit Vetternwirtschaft denkt, hat wahrscheinlich gewisse Probleme mit dem Gehör. Denn dass der Süden auch in der Bundesrepublik dirty abgehen kann, bewiesen schon vor mehr als 10 Jahren die deutschen Gangster-Pioniere von Feinkost Paranoia. Und das was man nun im Jahr 2007 auf Beats aus dicken Basslines, schnappenden Hihats, Handclaps, trockenen Snare-Drums und heißen Synthies spittet, hat auch nichts mehr mit Kalauer-Reimen oder spaßigen Wortspielen á la Blumentopf, oder irgendwelchen intellektuellen Denkereien zu tun:
München ist am Start, und das nicht sehr herzlich, sondern hart. Der Neue Süden ist sowohl der Name des Longplayers als auch der des vierköpfigen Kollektivs, bestehend aus den Münchner Underground-Bustern Pretty-Mo, Ali A$, dem „wahnsinnigen Bayern“ Semi B und dem Feinkost Mitgründer und Oldschool-Hustler Grosses K. Jeder der vier MCs hat sich bereits seine Reputation im Underground, sowohl durch Live-Battles als auch durch Mixtapes erarbeitet. Der Neue Süden wird großteilig produziert von DJ Scream und Elias aka Goofiesmackerz, allerdings hat man als Gast-Produzenten zusätzlich Leute wie, Roger Reckless oder DJ Desue und noch einige mehr im Angebot.
Man verschwendet keine Zeit mit Skits oder ähnlichem, sondern kommt vom ersten bis zum 19. Track der Platte direkt zur Sache: purer Rap, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Einflüsse des amerikanischen Originalversion des dreckige Südens sind unüberhörbar, allerdings hat man die teils deutschen, teils englischen Punchlines so perfekt auf die Tracks geschneidert, dass eine eigene Authentizität entsteht.
Teilweise Solo, teilweise in Kombo oder auch als komplettes Quartett kicken die vier Rapper einige Battle-Rhymes auf die teils melodisch-theatralischen Beats. Harte Disses, die live wahrscheinlich kein Auge trocken lassen werden, dominieren die Scheibe, aber auch an Wortgewandtheit und bildlichen Ideen mangelt es keinem der Vier. Timeout zeigt reimerische Klasse und lässt bei aller Härte auch Humor aufblitzen. Die Rolle der Frau wird beispielsweise durch Grosses K auf dem von Jay-Z gecoverten Smasher Girls eindeutig klargestellt. Trotz aller Allüren ist man im Neuesten Süden kritisch gegenüber dem oberflächlichen, jungschen Gangstertum (Willst du ein Gangster sein?).
/…Das hier ist der neue Süden / was du künftig siehst / hat nichts zu tun mit Blumentopf / oder 58 beats…/heißt es abschließend im letzten Track Donnersberger Brücke.
Der Neue Süden ist durchaus ein sehr respektables Album mit guten, abwechslungsreichen Beats und vor allen Dingen eine freie Ansage zum Thema Rap in München: Toughness gegen übertriebe Styler-Attitüde, brutale Ehrlichkeit kombiniert mit Wortwitz und Gangster-Einflüssen aus dem echten Dirty South, bereichern sowohl die Münchner Szene und auch die deutsche Rap-Landkarte wahrhaftig um eine Neuheit.
Künstler: DJ Scream | Album: Xklusiv Teil 2 – Der Neue Süden | Label: Xklusiv Mi | VÖ: 6. April 2007