Wer als Black Music Fan Inhalte möchte, schaut sich besser bei Rapmusik als bei R&B um. Viel zu oft ist das wahr, hier stimmt es nicht! „In This Life Together“ macht vor, was mehr Künstler nachmachen sollten: bei Soul und R&B das Themenspektrum zu erweitern!
Kindred the Family Soul legen bei ihrem zweiten Album den Fokus zwar auch auf Beziehungen, stecken aber nicht im Sumpf der ewig gleichen Denkmuster fest. Statistisch habe ich es bislang nicht ausgewertet, aber in der Liebe gibt es nicht nur das aufregende Kennenlernen und schmerzhafte Abschiednehmen. Ich will nicht abstreiten, dass sich um diese beiden Pole unendlich viele Geschichten erzählen lassen.
Der Beziehungsalltag – so unromantisch das Wort schon klingt – stellt uns wieder und wieder vor Herausforderungen, die nur von wenigen Künstlern thematisiert werden. Wenn ein Paar Kinder bekommt, eine Familie wird, ändert das Vieles zwischen Mann und Frau. In „Woman First“ geht es darum, bei all den Pflichten und neuen Rollen, das nicht zu verlieren, was vorher so schön war – konkret das Gefühl, eine Frau zu sein.
Die passende Familienerfahrung für ihre Songs bringen Kindred the Family Soul mit, denn Aja Graydon und Fatin Dantzler sind nicht bloß im Aufnahmestudio ein Duo. Über das Leben als Familie haben die beiden daher genug zu erzählen. Obwohl sie ihre Songs weder als Anleitung begreifen noch sich selbst als Experten dafür, wie eine Beziehung gelingt, möchten sie zum Ideenaustausch darüber anregen, wie ein Mann und Frau als Paar echte Freunde sein können. So positiv ausgerichtet und von einer Botschaft erfüllt sind meistens nur Gospelalben.
Thematisch würden „Kindred the Family Soul“ damit schon mehr für Soul und R&B tun als die überwiegende Mehrheit anderer Künstler. Darüber hinaus behandeln sie in ihren Liedern Gesellschaftsthemen. Sofort ins Auge fällt das bei einem Blick auf das Tracklisting „Message To Marvin“. 1971 veröffentlichte Marvin Gaye „What’s Going On“, das von vielen als sein wichtigstes Album gehandelt wird. Rund ein Vierteljahrhundert später ist unsere Welt in einem Zustand, dass man – um im Bild zu bleiben – nicht von einer Beantwortung seiner Frage sprechen kann, sondern im Gegenteil viel zu viele neue Fragen hinzugekommen sind.
Möchte man „In This Life Together“ einordnen, dann ist es im Neo Soul-Regal gut aufgehoben, einsortiert vielleicht zwischen Jill Scott und India.Arie; Letztere singt bei „Struggle No More“ mit. Jill Scott half Aja und Fatin, bei Hidden Beach Records unter Vertrag zu kommen.
Viele Fans des ersten Albums sind enttäuscht, dass nach „Surrender To Love“ nicht ein klanglich entsprechendes Album erschienen ist. Häufig geäußerte Kritik ist, dass diesmal der Einsatz „richtiger“ Instrumente ohne Not geringer ausfällt und „Kindred the Family Soul“ das Album wohl moderner gestaltet hätten, um jüngere Black Music Fans dafür zu interessieren.
Ich kann mich sehr für synthetische Sounds begeistern, aber die stärksten Stücke auf dieser CD sind die natürlich klingenden. Insofern haben sich „Kindred the Family Soul“ etwa keinen guten Dienst damit erwiesen, dass „Turn It Up“ als mit seinem harten. schneidenden Beat als dritter Track auf dem Album zu hören ist.
Der Titel des Albums geht zurück auf die Bewunderung des Paars für Ossie Davis und Ruby Dee. Mehr als 50 Jahre haben Dee und Davis gemeinsam gelebt und gearbeitet; ihre gemeinsame Autobiografie nannten sie „In This Life Together“.
FAZIT: Wer sowohl den alten Soul liebt als auch für aktuellen Sound zu begeistern ist, findet in „In This Life Together“ ein abwechslungsreiches Album mit Anspruch, das einen festen Platz in der Sammlung bekommen sollte.
Künstler: Kindred The Family Soul | Album: In This Life Together | Label: Smd Epc (Sony BMG) | VÖ: 3. Februar 2006