Ein guter Song sollte von mehr als nur einem Künstler gesungen werden, alles andere wäre Verschwendung. Damit könnt ihr mich gerne zitieren! Es trifft auf jeden Fall gut, was ich mir bei „From The Soul“ von Jeffrey Osborne gleich gedacht habe.
Rund zwei Jahre nach dem modernen „Music Is Life“ hat Jeffrey Osborne im Herbst 2005 den Weg in die Gegenrichtung angetreten: Zurück zu den Klassikern – wobei indes nicht so leicht zu entscheiden ist, ob dieses Album auch konservativ klingt.
An sich schon! Mit dem berühmten Produzenten Paul Brown hat Jeffrey Osborne den R&B Hits einen Smooth Jazz-Anzug verpasst, der fantastisch sitzt und den alten Titeln damit dann doch ein ganz neues Gewand gegeben – ohne sich auf fragwürdige Experimente einzulassen.
Wer Smooth Jazz mag, bei vielen Künstlern dabei die Vocals vermisst, kommt mit Jeffrey Osborne endlich auf seine Kosten, denn die dem Smooth Jazz immanente sanft schmeichelnde Instrumentierung transportiert die Stimme des Sängers wie auf großen, weichen Kissen gelagert und erlaubt, dass Jeffrey Osborne stimmlich allen Platz bekommt, den er braucht.
Um an meine Metapher anzuknüpfen: „From The Soul“ eignet sich besonders, um verliebt in den Kissen zu liegen oder sich auf einen romantischen Abend einzustimmen. Das ist nicht die Musik, um einen One Night Stand akustisch zu verpacken, sondern um von einer gemeinsamen Zukunft zu träumen.
Wer sich an Material heranwagt, mit dem einige der besten Künstler ihre stärksten Momente hatten, muss mit kritischen Vergleichen rechnen – Jeffrey Osborne ist der Mann, um sie locker zu überstehen. Dabei kommt er den bekannten Fassungen mal mehr, mal weniger nah – bei „All At Once“ (wäre beinahe als fünfte Single ihres Debütalbums ausgekoppelt worden) muss er sich allerdings ganz klar Whitney Houston geschlagen geben. Hier fehlt es Leidenschaft, was nicht nur eine Frage von Stimmgewaltigkeit ist. Da Jeffrey Osborne das Lied damals gemeinsam mit Masser selbst geschrieben hat, ist es allerdings verständlich, dass ihm etwas daran lag, es hier auch selbst zu singen….
Bei „Close The Door“ überzeugt er voll und ganz mit seiner sanften Leidenschaft – sicher auch Fans von Teddy Pendergrass, der damit Ende der 70er Jahre einen seiner größten Erfolge feierte und sogar in der Rubrik „Best Male R&B Vocal Performance“ für einen Grammy nominiert war.
Das von Stevie Wonder geschriebene „Knocks Me Off My Feet“ kenne ich in einigen Versionen (Donell Jones interpretiert es sehr überzeugend!), gehört zu den solidesten Stücken auf „From The Soul“ – nicht spannend, aber einfach schön gemacht. Das gilt sowieso für diese CD: Man kann sie sich zwar bewusst anhören, sollte dabei jedoch nicht darauf lauern, lauter neue Aspekte in den Tracks zu entdecken. Die gibt es, doch präsentiert Jeffrey Osborne die Songs zu unaufdringlich für eine derart konzentrierte Auseinandersetzung mit ihnen. Da komme ich noch einmal auf meine bequemen Kissen zurück: Mit denen fühlt man sich doch auch am wohlsten, wenn man sie gar nicht bemerkt.
Künstler: Jeffrey Osborne | Album: From The Soul | Label: Koch | VÖ: 4. Oktober 2005