Wenn das Zweitbeste, was man tun kann, so gut ist, wie in diesem Fall, sollte man sich nicht darauf konzentrieren, was man am besten kann – sondern dem Zweitbesten eine Chance geben.
Einfacher: Gordon Chambers ist einer der Top-Songschreiber im Soul und hat unzählige Stars unter seinen Kunden. Als sein eigener Kunde kann sich der Mann aus New Jersey ebenso hören lassen.
Gordon Chambers gibt zu, dass er sich lange hinter dem Songschreiben versteckt hat, obwohl er andererseits in seiner ganzen Collegezeit mit einer Band aufgetreten ist. Für eine Gesangskarriere hielt er seine Stimme für nicht ausreichend. Da musste ihn erst Whitney Houston persönlich ermutigen. Um ihr einen Eindruck davon zu geben, wie er sich einen Song, den er für sie geschrieben hatte, gesungen vorstellt, sang er ihr einen Teil daraus vor. Whitney riet ihm, einen Versuch als Sänger zu wagen.
Danke, Whitney! Ohne diesen professionellen Rat müssten wir auf ein Meisterwerk verzichten. Inzwischen hat Gordon Chambers selbst gefallen daran gefunden, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Ein wenig aus dem Schatten der Großen zu treten, die seine Songs zu Hits machten, fühlt sich für ihn sehr gut an.
Eines seiner Hauptfächer am College war Journalismus. So hat er als Redakteur beim berühmten Essence Magazine damals Queen Latifah interviewt und schließlich den ersten Song für einen Star geschrieben: „Winki’s Theme“ für ihr 1994er „Black Reign“-Album.
Die Liste der Künstler, für die Gordon Chambers bereits sein Talent eingesetzt hat, liest sich wie eine VIP-Liste: Usher, Carl Thomas, Beyoncé Knowles, Anita Baker, Jade, SWV, Aretha Franklin, Deborah Cox, Eternal, Freddie Jackson, Brandy, Phyllis Hyman, Silk, Yolanda Adams, Stephanie Mills, Hil. St. Soul, Patti LaBelle und zum Beispiel noch die Isley Brothers sowie die O’Jays. Auf seiner Website stehen noch einige Dutzend weitere Namen, doch die aufgeführten untermauern, dass Gordon Chambers für die erste Liga schreibt.
Er selbst wird ähnliche Popularität zumindest mit „Introducing Gordon Chambers“ kaum erreichen, weil er als unabhängiger Künstler ohne eines der mächtigen Major Labels nur einen Bruchteil der möglichen Aufmerksamkeit für sein Werk erhält. Chamber Music als Name für sein eigenes Label bietet zwar ein hübsches Wortspiel, nur ist der Kreis derjenigen, die sich daran erfreuen, eben klein.
So steht auf der CD selbst ein Copyright aus 2004, doch in Deutschland hat es bis zum Sommer 2006 gedauert, bis zum Glück Just Records Babelsberg eine Veröffentlichung in Deutschland unternommen hat. Auch dort sind Idealisten mit großer Liebe zur Musik am Werk.
Gordon Chambers selbst nämlich betrachtet das Schreiben von Songs auch nicht als seinen Job, sondern etwas, was er aus Liebe zur Musik tut – seit seinem siebten Lebensjahr! Diese langjährige Erfahrung, die großen Namen seiner Kundenliste sowie die Musikpreise, die er mit ihnen gemeinsam gewonnen hat, setzen die Messlatte für die Beurteilung seines ersten eigenen Albums sehr hoch, was die Qualität seiner Lieder angeht.
Diese strenge Beurteilung muss Mr. Chambers indes nicht einen Moment fürchten, denn schwache Tracks gibt es schlichtweg nicht auf „Introducing Gordon Chambers“. Was ihm für Chaka Khan, Gladys Knight, Bobby Brown, Aaron Neville und Angie Stone gelungen ist – Premium-Songs zu schreiben – hat er auch hier verwirklicht. Zwei Tracks auf der CD sind allerdings Remakes.
Sein „My Valentine“ hatte Carl Thomas schon eingesungen – und eben Carl Thomas ist beim Remake nun selbst wieder dabei. Doch keine Sorge, für einen eigenständigen Sound ist gesorgt: Roy Hargrove ist der zweite Gast bei diesem Lied und liefert einen jazzigen Einschlag.
Sonst sind bloß noch zwei weitere Gäste im Tracklisting aufgeführt: Sara Devine auf „Still In Love“ sowie Mike Phillips auf „I’ll Miss You Most“ – wobei er hier tatsächlich noch weitere prominente Unterstützung hat: durch den Saxophonisten David Sanborn.
Deutlich jazziger – dennoch für aufgeschlossene Soulfans völlig unproblematisch! – klingt das zweite der Remakes, „I Apologize“, für das Anita Baker 1995 mit ihrem achten Grammy ausgezeichnet wurde. Hier hat Chambers seinem Gewinnersong durch die stark Jazz-lastige Umsetzung eine völlig neue Ausrichtung gegeben. Dies im Ohr besteht meinerseits kein Zweifel daran, dass er nun, nachdem er endlich seinen Soulkollegen vors Mikro gefolgt ist, sich noch weiter vorwagen könnte, um beim nächsten Mal gleich ein Smooth Jazz-Album unter eigenem Namen zu präsentieren.
Für diesmal ist ihm mit „Introducing Gordon Chambers“ ein Soulalbum mit einer wohldosierten Menge Jazz gelungen, mit dem er sich bei den Freunden klassischen Souls einen Namen gemacht hat.
Künstler: Gordon Chambers | Album: Introducing Gordon Chambers | Label: Gc (Just Records Babelsberg) | VÖ: 23. Juni 2006