Wenn es sich um Wein handeln würde, wäre der Souljahrgang 06 einer, der sich durch besonders gute Tropfen auszeichnet. Nach Raheem DeVaughn kommt ein weiteres atemberaubendes Soulalbum, das von vorn bis hinten nur eines ist: gereift, gut abgehangen und voller Soul.
Wie auf dem Vorgänger „Comin’ From Where I’m From“ aus 2003 ist nichts gekünstelt, vorgemacht oder zur Schau gestellt. Reduzierung auf das Wesentliche ist Programm; der Song wird wieder zum Song: Geschichten statt Effekte, Kanten statt Overdubs, Baumwolle anstelle von Satin. So, wie Hamilton in seinem „Country Boy“-Shirt dasteht, würden sie in den großen Städten nur überheblich lächeln. Aber wenn er zu singen anfängt, dann dürfte den Maßanzüglern und Yuppies das Grinsen vergehen. Denn dann kommen die Zeiten von Marvin Gaye und Donny Hathaway zurück, als Soulmusik immer Soul hatte.
Das gepredigte Duett mit seiner Frau Tarsha’, das deepe Titelstück oder das die Freundlichkeit der Südstaatler/Innen lobpreisende „Southern Stuff“ vielleicht als Anspieltipp? Geht diesmal nicht, denn es ist unmöglich, aus dem Songdutzend ein, zwei Singles herauszubrechen. Man würde den anderen Liedern schlichtweg unrecht tun. Auch die Aufmachung ist liebevoll: eine kleine schwarze Vinylschallplatte kullert aus der CD-Box.
Wobei sich wieder der Vergleich zum guten Wein aufdrängt, der ja auch nicht aus dem Tetrapack abgefüllt wird. Hamilton kocht erneut Soul Food für Genießer, die nicht nur schnell hinhören und runterschlucken, sondern alle Sinne spüren wollen.
Künstler: Anthony Hamilton | Album: Ain’t Nobody Worryin’ | Label: Zomba (Sony BMG) | VÖ: 3. Februar 2006)