Was hat Tamyra Gray mit Lemar gemeinsam? Genau wie er ist sie eine Verliererin bei einer Talentshow im Fernsehen, er bei Fame Academy in Großbritannien und sie bei American Idol (sozusagen „Amerika sucht den Superstar“).
Beide haben auf diese Weise vermutlich mehr als mit einem Sieg erreicht, der sie zu einer schnellen, sehr kommerziell orientierten Veröffentlichung getrieben hätte. Nach ungefähr der Hälfte der ersten Staffel musste Tamyra gehen, hatte bis zu diesem Zeitpunkt jedoch schon einem Millionenpublikum im Fernsehen bewiesen, dass sie eine Könnerin ist. In Deutschland ist sie dagegen fast vollkommen unbekannt, was ein Beispiel veranschaulicht: Während ich diesen Text schreibe, befinden sich auf der amerikanischen Amazon-Website 337 Kundenrezensionen zu diesem Album, auf der deutschen ist es nur eine einzige.
Ihr massentauglicher R&B mit Pop- und Rock-Einflüssen gibt dieser Sängerin allerdings sehr gute Voraussetzungen, um auch es auch in Europa zu etwas zu bringen. Bei entsprechender Promotion. Die anspruchsvollen Tracks sollten dabei nicht stören, dafür sind genügend sehr eingängige Lieder auf „The Dreamer“.
Das gilt für die kraftvolle Midtempo-Nummer „Legend“, die Tamyra mit großer Leidenschaft darbietet und dem Zuhörer damit viel neue Kraft und Aufmunterung gibt genau so wie für den extrem funky gemachten Partytrack „Don’t Stop (Keep It Coming)“, bei dem kaum ein Soul-Fan still sitzen bleiben kann – das ist Tanzmusik!
Ausgesprochen positiv fällt auf, wie lebendig, frisch und locker die Songs aufgebaut sind: Auch kommerziell erprobte Muster können so zu frischer Musik werden!
Mit Talentwettbewerben hatte Tamyra übrigens schon lange vor ihren Auftritten bei American Idol Erfahrung – an unzähligen hat sie im Laufe ihres Lebens teilgenommen, das erste Mal war es in der 7. Klasse. Da wusste sie allerdings schon längst, dass sie ins Musikgeschäft wollte. Dennoch hat sie keine Ausbildung oder auch nur ein größeres Training in der Richtung gehabt. Allein die Chorleiterin ihrer Grundschule hatte sie systematisch unerrichtet. Dafür sang sie alles mit, was im Radio lief.
Die gewaltige Kraft ihrer Stimme kommt erst bei den lauten Tracks zur vollen Wirkung. Die durchschnittliche Konkurrenz drückt sie damit gegen die Wand. Die leisen Töne beherrscht Tamyra Gray zwar auch – und es sind auf „The Dreamer“ auch nicht zu wenige davon enthalten – doch sticht sie damit nicht so klar aus der Masse hervor.
FAZIT: Mit „The Dreamer“ hat Tamyra Gray ein sehr starkes Debütalbum vorgelegt, das nicht nur für R&B-Fans ein Tipp ist, sondern auch für Gelegenheitshörer mit weniger spezialisiertem Musikgeschmack.
Künstler: Tamyra Gray | Album: The Dreamer | Label: 19 Recordings