Lange haben die „Superkrieger“ abgesehen von ein, zwei Auftritten bei Festivals nichts von sich hören lassen. Umso größer natürlich die Freude, als ich das neue Saian Supa Crew Album in den Händen halte. Prompt stürzt der erste Track “Blow“ mir aus den Boxen entgegen und ich sehe tobende Konzertsäle vor meinem inneren Auge – die darin enthaltene Ansage „Back In The Biz, We’re Still The Same“ soll sich allerdings beim weiteren Hören nicht bewahrheiten.
Schon beim nächsten Track „La Patte“ feat. Will I Am von den Black Eyed Peas (Wie könnte es anders sein, eine Aufforderung zum Tanz) beschleicht mich ein seltsames Gefühl, hört sich der Track doch sehr nach BEP an.
Auch die nächsten drei Songs, allesamt von unruhigen, eindringlichen Beats getragen, sind anders als ich es von SSC gewohnt bin. Bis auf „Zonarisk“, das einen futuristischen Elektro-Beat als Grundlage hat, sind sie sehr percussiv. Ich vermisse ein wenig die fetten Bässe und die instrumentelle Üppigkeit von „X-Raisons“.
Dann singt, wie um mich zu trösten, Patrice das Intro für eines der Highlights des Longplayers – das Remake des Third World-Klassikers „96 Degrees“ – ein sehr gelungener Dub-artiger Hip-Hop Track, der dem Original durchaus würdig ist.
Aus dieser relaxten Stimmung heraus kommt „Hold Up“, ein bouncender Song mit schweren Rock-Gitarren wie ein Anschlag, von dem man sich aber bei „Rouge Sang“, einem meiner absoluten Favorites des Albums, wieder erholen kann. „Rouge Sang“ (Rotes Blut) ist, wie der Titel schon erahnen lässt, ein nachdenklicher Track. Musikalisch sehr pur gehalten, eine einzelne Gitarre nur stellenweise von Streichern unterstützt, begleitet die Vocals. Eine angenehme Pause, in der auch die virtuosen Skillz der fünf verbliebenen SSC-Mitglieder mal wieder zum tragen kommen.
Leider verbreitet der avantgardistische Beat von „Poison“ eine Stimmung die dem Titel alle Ehre macht – irgendwie kommt die ganze zweite Hälfte des Albums bis auf „So Into You“, einem ruhigen Lovesong der von Sly’s näselndem Gesang lebt und „Mama“ einer urbanen, durch Jazzelemente abgerundeten Ballade, ziemlich psychotisch daher. Bei „Mama“ wird auch endlich mal ein bisschen gebeatboxt, eigentlich Saian-Supa-Standard, bei diesem Album leider viel zu kurz gekommen, auch scratch-technisch kommt „Hold Up“ nicht im geringsten an „X-Raisons“ heran, um genau zu sein, es sind kaum Scratches vorhanden.
Die letzten beiden Titel haben mit Hip-Hop nicht mehr so arg viel zu tun, „Jacko“ wird wahrscheinlich im Februar der Karnevalshit auf den Antillen, eine Salsa-Percussion-Nummer ganz in karibischer Karnevalstradition und „Fly“, ein sehr britischer Track mit einem 2step-artigen Beat und dem Londoner Duo Mattafix als Feature.
Mit Features waren die Pariser MCs bisher wesentlich sparsamer als auf „Hold Up“ – es gab nur ein einziges auf den letzten zwei Alben – und ich hatte das Gefühl, dass die vier Features hier (Patrice, Will I Am, Camille und Mattafix) auch sehr viel Raum einnehmen.
Auch die Tatsache, dass Specta die Crew verlassen hat scheint nicht spurlos an den Superkriegern vorbeigegangen zu sein. Es hört sich an, als wolle man neue Wege beschreiten, aber meiner Meinung nach hat sich die Saian Supa Crew hier ein wenig in ihren Experimenten verlaufen. Es wäre vielleicht ratsam, sich den Titel des Albums selbst zu Herzen zu nehmen, innezuhalten und sich wieder auf die eigenen Wurzeln zu besinnen.
Das Album ist wie immer gut produziert, aber mir persönlich zu experimentell und auch wenn ich mir vorstellen kann, dass Sir Samuel, Sly, Feniksi, Vicelow und Leeroy die Songs live gut performen werden, mag beim Hören der Funke nicht so richtig überspringen, und im Gegensatz zu „X Raisons“ wo ich fast jeden Track zum Jubeln fand musste ich hier die Highlights suchen – trotzdem sollte man es mal gehört haben.
Autorin: Tilli Mader
Künstler: Saian Supa Crew | Album: Hold Up | Label: EMI / Virgin Music | VÖ: 27. Oktober 2005