Oskar Schönning ist schizophren. Müsste er zumindest sein; denn es gibt ihn zweimal. Einmal als Menschen und Musiker, und einmal als Band selben Namens mit mehreren Musikern, d.h. diese Persönlichkeit wäre dann ihrerseits noch mal mehrfach aufgesplittert in Unterpersönlichkeiten. Diese (Un)Unterscheidung ist ausdrücklich gewünscht, wie es scheint, denn auf dem Rücken des aktuellen Werkes von Oskar Schönning heißt es wörtlich: „all songs written by Oskar Schönning (the person); all arrangements by Oskar Schönning (the band).“
Man kann letztlich nur spekulieren, welche Verschmelzungserlebnisse oder –phantasien hinter diesem bemerkenswerten (Nicht)Identifikationskonstrukt stehen, und in wieweit die nun gesund oder ungesund sein mögen für das Konglomerat oder seine Bestandteile. Der Klang des Ganzen macht jedenfalls einen durchaus kerngesunden und lebensfähigen Eindruck. Leicht melancholisch zwar, aber das zeugt ja in aller Regel von einem wachen Geist mit scharfer Auffassungsgabe. Wer nichts mitkriegt von der Welt, hat selten(er) Grund zur Melancholie, heißt es. Oder, in biblischer Umkehrung: „Selig sind die Armen im Geiste“. Wenn man danach geht, haben wir es hier mit einer Form von unseligem Reichtum zu tun.
Besinnlich und introspektiv geht Oskar Schönning zu Werke. Der Mann, dem die Formation ihren Namen verdankt, ist Bassist; ein Mann der tiefen Töne also; ein Untergründiger. Keiner von den wilden, wahrnehmungshungrigen Daumendreschern und Druckmachern; sondern einer von denen, die ihr Instrument bevorzugt in wohliger Sonorität ersingen und -murmeln lassen (können). Seine Kompositionen entsprechend. Warm, sanft, zurückhaltend bis leise; nachdenklich bis gedankenverloren. Dabei keinesfalls egozentrisch beziehungsweise basslastig. Die Person Schönning degradiert nicht die Band Schönning zu reinen Statisten (s)einer Selbstinszenierung. In sofern ergibt die Identitätsverwischung vielleicht tatsächlich Sinn; alle mitwirkenden Musiker haben aktiven und nötigen Anteil an der Realisation dessen, was Schönning sich an Stücken ausgedacht hat. Vergleichsweise still, das. Und schön.
Entstanden ist das Projekt in der schwedischen Stadt Östersund, „irgendwann im Juni 2002“, in einem Club namens ‚Nardis‘, den Schönning (die Person) einige Zeit zuvor mit Freunden ins Leben gerufen hatten; als eine Art ökologische Nische für eigene Projekte und Grupp(ierung)en, für Experimente, für spontanes oder geplantes, vor allem aber stressfreies Ausloten von Möglichkeiten. Im ‚Nardis‘ fand alles eine Heimat, von Bands wie Kampus und Nyfors (mit eher punkiger Attitüde) bis hin zu den Klängen von Jazz-Veteranen wie Krister Andersson und Lasse Hörnfeldt.
Auch das Embryonalstadium der Band, die Ihnen heute die CD mit dem Titel (raten Sie mal … genau:) „Oskar Schönning“ vorstellt, begann seine Existenz im Nardis in Form von Sessions, bei welchen der Bassist und sein Kollege Emil Stranberg, seines Zeichens Trompeter, ihre Instrumente mit einer Auswahl elektronischer Be-gleitmittel verstärkten. Diese gern genommene Kombination (man denke z.B. an Tab Two bzw. Krauss/Hattler, Nighthawks bzw. Martino/Winterschladen u.a.) wurde bei einem bestimmten Stück durch den dobro-Spieler Anders Kronlund erweitert, was nach Angaben der Musiker ein Schlüsselerlebnis darstellte. Es schien un-missverständlich, dass dies ein Trio sein bzw. werden sollte; und so fügte man sich dem Schicksal(haften Moment). Ein gutes Jahr später erschien die erste EP dieser kreativen Keimzelle, aufgenommen live im Nardis, unter dem Titel „Heroes And Villains“.
Im Sommer 2003 bekamen dann Schlagzeuger Sebastian Voegler und Pianist Jonas Östholm das Trio erstmals zu hören, und stiegen kurze Zeit später ein. In dieser Besetzung spielte die Band ihre zweite EP „Love Songs“ ein und bestritt mehrere Konzerte; im Spätherbst stieß schließlich mit dem Holzbläser-Multifex Nils Berg das bislang letzte Mitglied zur aktuellen Besetzung von Oskar Schönning. Eine weitere Aufnahme wurde bald darauf in Angriff genommen; diese hat zwar bis dato noch nicht das Licht der Welt erblickt, aber immerhin dazu geführt, das die Band bei Amigo, einer der führenden Adressen für außergewöhnlich Musik in Schweden, unter Vertrag gekommen ist, was wiederum die Aufnahmen zu ihrem hier vorliegenden full length Debüt-Album bedingte. Keine Ahnung, was da noch in der Schublade warten mag; aber was die sechs hier an die Öffentlich-weit tragen, das ist auf alle Fälle nicht nur sehr ‚reif‘ für ein Debüt, das ist Bässer als ausgereift.
Künstler: Oskar Schönning | Album: Oskar Schönning | Label: Amigo | VÖ: 9. Mai 2005