Müssen die besten Stücke aus dem Fundus des Motown-Labels gecovert werden? Natürlich nicht. Erst recht darf sich niemand dieses hochwertigen Liedguts bedienen, der nicht über die dafür erforderliche Qualifikation und Credibility verfügt – zu oft wurden Klassiker geschändet. Das ekelerregendste – mir bekannte Beispiel – ist die Zusammenstellung „Hands on Motown“ aus den 90ern, wo Euro-Rap-Sternchen sich in völliger Selbstüberschätzung an Standardwerke der Black Music heranwagten und es schafften, unkaputtbare Songs kaputt zu covern.
Bei Michael McDonald verhält sich das natürlich anders. Der Mann, bei dem wirklich nur die Hautfarbe weiß ist, wird auch von der schwarzen community geschätzt. Er geht mit dem nötigen Respekt an Evergreens wie „You’re All I Need To Get By“ und „I Second That Emotion“ heran. Er kann singen, und er hat Soul! Vor allem letzteres ist Grundlage für das gewagte Unterfangen. Die Nagelprobe, Marvin’s „What’s Going On“, besteht er mit dem ersten Schlag. Mir fällt kein weiterer weißer Sänger auf dieser Welt ein und nur wenige farbige Kollegen kämen mir in den Sinn, die dieses Lied auch nur annähernd an dieses Niveau interpretieren könnten.
14 Songs covert McDonald auf „Motown Two“; die in den USA überaus erfolgreiche erste „Motown“-Ausgabe (von der hier niemand etwas wissen wollte; zum Release saß der Amerikaner aber auch nicht als „Friend Gottschalks“ auf der Couch …) liegt als Bonus-Disc bei. Zurück zur eingangs aufgeworfenen Problematik, die Coveralben generell betrifft: von Songs, die in längeren Zeitperioden ihre Zeitlosigkeit bewiesen haben, braucht es keine „zeitgemäßen“ Versionen. Wenn aber auch nur ein Spätgeborener durch „Motown Two“ sich genötigt fühlt, tiefer in die Annalen der Soulmusik einzudringen, heißt die Antwort „Ja“.
Künstler: Michael McDonald | Album: Motown Two | Label: Motown/Universal Music Int’l | VÖ: 28. Oktober 2004