Kein Werbetrick, aber durchaus verkaufsfördernd: Zur Veröffentlichung ihres 4. Albums wanderte Kimberley Jones hinter Gitter. Ein Jahr wegen Falschaussage – der US-Richter ließ keinen Promi-Bonus gelten. Das Thema Knast zieht sich wie ein roter Faden bis zum letzten der 15 Songs, der den „Last Day“ vor Antritt der Strafe spiegelt. Hatte man angenommen, Lil Kim habe ihren Zenit bereits überschritten, so muss man ihr testieren, noch ein paar veritable Tracks aufgenommen zu haben (von zwei unsinnigen Anrufbeantworter-Kröpfen mal abgesehen).
Songs wie „Spell Check“, „All good“ und „Quiet“ setzen zwar keinen neuen Standard, bouncen aber heftig. Bekannte Namen wie Scott Storch, aber auch jüngere Produzenten, verantworten die recht abwechslungsreiche und Old School-orientierte Packung auf der LP. Ohrenfällig ist, dass gerade die Tracks aus der zweiten Producerreihe Frische versprühen. Mehrfach sampelt Kim aus Stücken ihres Ziehvaters The Notorious B.I.G., der von seinem „Mädchen“ immer noch credits als Executive Producer erhält.
Fazit: Lil Kim ist nach vier Soloalben längst nicht mehr das kleine Mädchen im Schatten des verstorbenen Paten. „Bonnie“ Kim kann durch die Vermarktung ihres Einfahrens in den Bau sicher oberflächlich an street credibility gewinnen – in den Staaten chartete ihr Album von Null auf Sechs. Letzten Endes zahlt sie aber drauf. 366 Tage ihres jungen Lebens ist die Gangsterbraut hinter Schloss und Riegel, und in der Welt dort gelten andere Gesetze als bei Billboard.
Künstler: Lil‘ Kim | Album: The Naked Truth | Label: Atlantic | VÖ: 18. November 2005