Jeanette Lindström ist eine beeindruckende Vokalistin und Komponistin aus Schweden, die hierzulande bis vor kurzem vielleicht noch nicht allgemein bekannt war, der das Etikett ‚Newcomer‘ aber schon seit einiger Zeit nicht mehr gerecht wird. In ihrer Heimat zählt sie längst zu den etablierten Größen im Bereich des Jazz, die nicht nur solo, sondern auch häufig mit Big Bands, Kammer- und Sinfonie-Orchestern im Rampenlicht steht.
Gut 10 Jahre ist es her, dass Sie dort erstmals die Aufmerksamkeit der breiteren Öffentlichkeit auf sich zog, als sie 1995 ausgesucht wurde, um das renommierte Nobel Dinner (im Rahmen der Nobelpreisverleihung) mit der Darbietung eines Stückes von Bellmann zu beschließen; Grund für diese ehrenvolle Aufgabe war ihr kurz zuvor erschienenes Debüt-Album „Another Country“, das im selben Jahr als „Jazz i Sverige“ – Album des Jahres ausgezeichnet wurde. Schon damals attestierte die Fachwelt der jungen Künstlerin eine ungewöhnliche Reife.
In den seither vergangenen Jahren konnte sie mit weiteren Solo-Alben [„I Saw You“ (1997) und „Sinatra/Weill“ (1999, mit der Norrbotten Big Band und dem Norrbotten Kammer Orchester)] und zahlreichen Projekten mit anderen Künstlern bzw. Ensembles überzeugen. So war sie neben der Arbeit mit ihrem eigenen Quintett u.a. Mitglied der Formation Once, nahm mit dem Pianisten Steve Dobrogosz das Album „Feathers“ (2000) mit einfühlsamen Interpretationen unvergessener Stücke populärerer Songwriter auf und arbeitete mit Künstlern verschiedenster Genreorientierung/en (vorwiegend aus Schweden) auf der Bühne und im Studio, darunter Musiker wie Bengt-Arne Wallin, Bobo Stenson, Esbjörn Svensson und Magnus Lindgren, um nur einige wenige zu nennen. Regelmäßige Auftritte in so ziemlich allen relevanten Jazzclubs und Konzerthallen in Schweden hat sie ebenso mit Bravour absolviert wie Tourneen durch die anderen skandinavischen Länder, Europa, die U.S.A. und Japan.
Eine gefragte und viel beschäftigte Künstlerin also, die da im Herbst 2004 unter dem Titel „Walk“ ihr bis dahin 4tes Solo-Album der Öffentlichkeit vorstellte, und damit auch hierzulande das Publikum im Sturm eroberte. Ihre faszinierende und einnehmende Stimme, die von sanftem und sehnsuchtsvollem Säuseln bis zu glasklarer Präsenz alle Facetten bietet, brachte ihr ebensoviel positives Echo ein wie die wunderbaren Instrumentalparts und inspirierten Soli, die das Klangbild dieser rundum überzeugenden Vocal-Jazz-Produktion im Zusammenwirken mit der erstklassigen Hauptakteurin stimmungsvoll abrundeten.
Mit „In The Middle Of This Riddle“ legt Jeanette Lindström nun ein Folgewerk vor, das auf den ersten Höreindruck um ein vielfaches „jazziger“ klingt als die vorangegangene Produktion – vor allem, wenn man es bei diesem ersten Eindruck belassen wollte und mit der Beurteilung des neuen Albums gleich bei Track 2 „From This Tower“ wieder aufhört/e. Insgesamt betrachtet bietet ‚die Mitte des Rätsels‘ jedoch mehr von dem, was wir an ihr so schätzen gelernt haben: Eine weitere wunderbare Auswahl von Eigenkompositionen der versatilen Schwedin + eine Neuinterpretation des Titels- „When Things Get Real“ [10] von Marshall Glover.
Lindströms großartige working band, die schon auf „Walk“, begeistert/e, ist auch diesmal vollständig dabei mit Peter Nylander (Gitarre/n), Daniel Karlsson (Piano & Keyboards), Christian Spering (Bass), Peter Danemo (Schlagzeug) sowie Staffan Svensson (Trompete), und gießt die überwiegend gefühlsbetonten Arrangements in geradezu diamantene Perfektion.
Ein mutiges Album für eine Künstlerin, die sich gerade erst erfolgreich in die kuschelige Nachbarschaft der skandinavischen Schmusekatzen, Verzeihung, -Jazzerinnen gespielt hat/te; und dass sie das auch nach wie vor hervorragend beherrscht, zeigt sie hier mit erwarteter Bravour. Aber eben auch noch ein bisschen mehr als das. Chapeau; das hat Klasse.
Künstler: Jeanette Lindström | Album: In The Middle of This Riddle | Label: Amigo Musi (edel) | VÖ: 28. Oktober 2005