Mit seinen fast 40 Jahren bringt Gerald Levert ein Album, das sich von seinen vorigen inhaltlich unterscheidet, mehr Anspruch hat und mit dem er etwas verändern möchte. In jedem Fall war es nach all den Jahren an der Zeit, überhaupt etwas zu ändern, denn obwohl er zu den Besten seines Fachs zählt, wusste man zumindest seit Anbruch des neuen Millenniums immer schon vorher, wie sich die CD anhören würde.
Diese Berechenbarkeit ist nicht schlecht an sich, doch irgendwann kam auch bei mir der Punkt, an dem ich mich gefragt hatte, ob Gerald Levert ewig so weiter machen möchte und im Jahresrhythmus hochwertige CDs mit demselben Erfolgsschema veröffentlichen wollte.
Der Künstler selbst betont, dass er in seinem Alter einfach an den Punkt gekommen sei, eine Message über seine Musik zu transportieren. Sich in die Tradition von Marvin Gaye und seinem Meilenstein „What’s Going On“ zu stellen, passt schon für einen Mann von Levert’s Kaliber, doch – und so ist er eigentlich schon ganz gut in Marvin’s Fußstapfen getreten – die Plattenfirma wollte nicht so, wie er das wollte. So ist „Do I Speak For The World“ ein Kompromiss geworden aus Gerald’s ursprünglicher Vision und den Vorstellungen der Plattenfirma. Genau diese Art von Kompromiss ist problematisch, doch „Do I Speak For The World“ ist dennoch ein großer Schritt für den Künstler.
Leider scheint der Sound des Longplayers keiner klaren Linie zu folgen – wie man es von Gerald Levert sonst gerade gewohnt ist. Nichts gegen Abwechslung! Bei „Do I Speak For The World?“ habe ich indes den Eindruck, die Aufnahmen seien für verschiedene Alben aufgenommen worden, weil sie an manchen Stellen nicht gut zusammen passen.
Wenig überzeugend ist auch der halbherzige Versuch, den Sound warm und organisch klingen zu lassen. Da hätte Gerald Levert besser beim Stil der vorigen CDs bleiben oder die Veränderung entschlossener anpacken sollen. Bei „So What (If You Got A Baby)“ hat es zwar schön funktioniert, doch beim immer noch schönen „Greater Later“ wurden die Möglichkeiten längst nicht ausgeschöpft. Wenn Ihr ein Glas Sprudel bestellt und bekommt Euer Wasser anschließend ´Medium´ serviert, seid Ihr ja auch enttäuscht. Die gute Quelle löscht den Durst aber dennoch.
Mancher Song sprudelt einfach zu wenig, schmeckt ein wenig stumpf – und genau diesen Eindruck habe ich so vom Album insgesamt. Mit anderen Worten: Der Produktion fehlt der Glanz, Biss erwarte ich bei Gerald Levert eh nicht.
Bei aller Kritik – ich messe den Mann auch an seinen Talenten und Möglichkeiten – ist „Do I Speak To The World?“ ein solides Album, dass sich jeder R&B-Fan zumindest einmal in Ruhe anhören sollte. Wer die vorigen CDs mag, wird sicher auch von „Do I Speak For The World?“ nicht enttäuscht sein – schließlich ist die Revolution zugunsten eines Reförmchens ausgefallen.
Künstler: Gerald Levert | Album: Do I Speak For The World? | Label: Def Jam | VÖ: 15. Juni 2005