Ist Frankie J. nur die Latin-Version von Usher, ein Möchtegern, der im Sog der Usher-Manie seinen Schnitt machen will? Zugegeben, so ließe sich das darstellen, denn sein eingängiger Mainstream-R&B hat schon einige Ähnlichkeit mit Über-Star Usher.
Doch das ist es ja, jemand, der wie Usher fast gespenstisch erfolgreich ist, muss einen Einfluss haben auf andere Künstler des Genres, die bessere Frage ist dann auch: Wie viel eigene Kreativität bringt Frankie J. ein? Damit schaut es gar nicht schlecht aus – wenn man im Bewusstsein behält, dass Frankie J. nicht anspruchsvollen, zeitlosen R&B für Erwachsene macht, sondern den Massenmarkt beliefert.
Einen Preis für Originalität würde ich Frankie J. nicht verleihen, doch er versteht es, Emotionen zu wecken, mein Herz zu erreichen. Das ist mehr, als die meisten R&B-Sänger und Sängerinnen für sich verbuchen können. Songs, die Freude bereiten, schön anzuhören sind, gibt es jedes Jahr im Überfluss, doch Frankie J. und sein Team haben den Dreh raus, unter die Oberfläche zu kommen. Kann seine Musik dann eigentlich oberflächlich sein?
Gleich der erste Track „Obsession (No Es Amor)“ zeigt, wie gut es Frankie J. versteht, die Balance zu halten zwischen einem Stil, der zum Feuerzeuge-Schwenken gemacht zu sein scheint und einer gewissen Freshness, auch wenn der Refrain äußerst poppig daher kommt. Balance ist auch beim Stil das Stichwort, denn neben poppigen Elementen bringt eine Zwei-zu-Drei-Mischung aus R&B und Hip-Hop die nötige Schnittigkeit.
Stücke wie der Titeltrack „The One“ mit 3LW zur Verstärkung haben alles, um sowohl Gelegenheits- als auch Überzeugungs-R&B-Hörer zufrieden zu stellen. Allerdings scheint dabei absichtlich auf neue Ideen verzichtet worden zu sein, um auf Nummer sicher zu gehen. Schade.
Seine beste Karte spielt Frankie J. klar bei seinen Slow Jams aus, doch auch die schnellen Tracks wie „On The Floor“ wissen zu begeistern – wenngleich das bei diesem Stück dem geschickten Einsatz eines Samples von „Everything She Wants“ der 80er Pop-Helden Wham geschuldet ist.
Die mir vorliegende Pressung kommt mit zwei Remixen von „Obsession (No Es Amor)“, einer spanischen Version und dem Reggaeton Mix. Ob’s das braucht, ob Frankie J. so noch besser verschiedene Zielgruppen ansprechen kann oder eher seinen Stil aufweicht – für beide Sichtweisen lassen sich Argumente finden. An Vielfalt – im Mainstream wohlgemerkt – mangelt es seinem Album „The One“ sowieso nicht.
Usher muss sich keine Sorgen machen, Frankie J. könnte ihm die Show stehlen, dafür versteht er diesen Teil des Biz einfach zu gut. Rein musikalisch könnte Frankie J. allerdings jederzeit als überzeugende Urlaubsvertretung einspringen.
Künstler: Frankie J. | Album: The One | Label: Sony | VÖ: 22. März 2005 (USA)