Es sind nicht immer die innovativen Ideen, die frischen, die mutigen, die den Millionenerfolg bringen, sondern oft die ganz einfachen, bewährten Konzepte. So ist die Idee, noch unbekannte Sänger im Fernsehen auftreten und durch eine Jury bewerten zu lassen, nun ganz sicher nichts von dem zuerst gesagten. Ähnliches lässt sich auch denken über die Debüt-CD von Fantasia Barrino, ihres Zeichens Gewinnerin der 3. Staffel von American Idol.
Ist „Free Yourself“ deshalb jedoch ein schlechtes, überflüssiges Album? Ganz und gar nicht! Natürlich wurde dieser Longplayer mit einer gigantischen Medienmaschinerie in den Markt gedrückt, die ihresgleichen sucht. Außerdem stehen Missy Elliott, Jazze Phae, Rodney Jerkins, Jermaine Dupri und j-records-Boss Clive Davis hinter „Free Yourself“. Wie viel wirklich eigener künstlerischer Freiraum ihr angesichts des Supports dieses Profi-Kommando-Teams bei ihrer CD noch verblieben ist, ist eine berechtigte Frage, doch das Ergebnis kann sich mehr als nur hören lassen!
Bedenkt man, wie dieses Album zustande gekommen ist, überrascht es durch vergleichsweise frischen Sound, der zwar nicht unbedingt neue, aber dennoch meist nur wenig ausgetretene Pfade beschreitet. „Free Yourself“ bietet neben sehr konservativ gebauten Songs vor allem ein Spektrum der aktuell angesagten musikalischen Trends und das bei grundsolider Umsetzung.
Fantasia Barrino ist keine Mary J. Blige und auch keine Macy Gray – und liegt vom Klang (wie ich lesen musste) auch ganz bestimmt nicht dazwischen! Allerdings vermag sie aus dem Stand heraus in der ersten Liga der R&B-Sängerinen mitzuspielen. Ihr Sieg beweist, wie gut die American Idol-Maschine läuft, denn aus 70.000 Interessenten ist sie herausgefiltert worden, eine Künstlerin mit echtem Talent und kommerziellem Potential, American Idol ist schließlich Massenunterhaltung par excellence. Daher ist es für die 19jährige Mutter einer dreijährigen Tochter geradezu Pflicht, einen Track wie „Baby Mama“ auf ihrem Album zu haben. Ich kann verstehen, wenn manchem so ein Schritt zu glatt erscheint, als dass er den Song noch genießen könnte. Andererseits ist das auch nicht schlimmer, als Teenager über Themen singen zu lassen, von denen sie selbst noch kaum etwas verstehen dürften.
Um bei American Idol zu gewinnen, müssen die Kandidaten unter anderem beweisen, dass sie es verstehen, ganz unterschiedliche musikalische Stile zu beherrschen. Fantasia Barrino’s Album ist klar im modernen R&B positioniert, bietet darin aber eine Menge Abwechslung. Ob Party oder Kuschel-Couch, es ist an alles gedacht worden.
Ihre Interpretation von „Summertime“ zu bewerten, fällt schwer, gibt es von Gershwin’s Meisterwerk doch zahllose Aufnahmen – da hat man einfach schon weit Besseres gehört. Dennoch schlägt sich Fantasia Barrino auch hier passabel. Etwas weniger Dramatik hätte ihr dabei aber besser gestanden – schon weil sie mit ihrer Stimme noch an manche Grenze stößt.
Insgesamt hat die Sängerin ihren Job als American Idol ausgezeichnet erledigt. Die spannende Frage nach „Free Yourself“ ist: Wird Fantasia Barrino sich auch selbst befreien und für ein zweites Album einen Neuanfang mit ganz eigenem Stil wagen (und dann qualitativ und künstlerisch wirklich einmal direkt zwischen Mary J. Blige und Macy Gray stehen können) oder lieber weiter darauf setzen, Teil der rund laufenden Maschinerie um American Idol zu sein und dabei hoffen, dass das Ende in ihrer Verwertungskette so schnell nicht erreicht sein wird?
Künstler: Fantasia | Album: Free Yourself | Label: j-Records | VÖ: 15. Juni 2005 | Album des Monats: Februar 2005