Eine hervorragende CD. Das will ich gleich zu Anfang festhalten, damit bei der Betrachtung der einen oder anderen kleinen Schwäche keine falschen Schlüsse über die Qualität dieses Albums aufkommen.
Walter Williams, Sr., Eddie Levert, Sr. und Eric Grant flirten weit weniger mit aktuellen Trends in der Produktion als andere Künstler, die schon so lange im Geschäft sind. Dies gilt gerade für „Imagination“, denn manches aus den 80ern klingt doch auch arg nach 80er Sound.
Die O’Jays haben es bei diesem Album verstanden, einen sehr gesunden Kompromiss aus Tradition und Moderne zu finden, schließlich wäre es auch nicht besonders spannend, wenn sie einfach nur wieder den Philly Sound aus ihrer stärksten Zeit liefern würden. Nicht wenige Fans scheinen das jedoch zu bedauern.
Dabei reicht die Band-Geschichte bis in die späten 50er zurück – was viel weiter ist, als sich Neo Soul-Künstler orientieren. Gerade am Beispiel von „Imagination“ wird deutlich, dass es einen Unterschied macht, voller Bewunderung der alten Soul-Zeiten zurückzublicken oder diese Ära als einer der wichtigen Spieler gestaltet zu haben. Die O’Jays klingen – und da mag ich mich mancherorts gehörter Kritik an der Produktion überhaupt nicht anschließen – auf sehr unaufdringliche, bescheidene Weise frisch. Die übersichtlichen, klaren Strukturen der Lieder sind äußerst angenehm. Die Jungs müssen auch wirklich nicht mehr herumspielen, sondern können sich ganz auf die Qualität konzentrieren. Das nenn’ ich Coolness.
Mit 10 Songs (und „The Christmas Song“ als Bonus) bleiben sie knapp unter 55 Minuten Spielzeit. Das ist nach meinen Maßstäben hart an der Grenze zum Punktabzug, doch jeder Track kommt mindestens auf ein knappes „Gut“. Die meisten Songs tragen die Handschrift der Bandmitglieder, doch auch Jimmy Jam & Terry Lewis, Troy Taylor, Rob Fusari, Gordon Chambers und Gerald Levert haben mitgeschrieben.
Matthew Knowles, bekannt vor allem als Vater und Manager seiner Tochter Beyoncé, darf sich ebenfalls auf die Schulter klopfen: Als Präsident und CEO von Music World / Sanctuary Urban Records hat er die Gruppe zuerst einmal in seine Firma geholt und für das richtige Umfeld gesorgt. Dabei hatte er nicht nur im Blick, dass die O’Jays in ihren 43 Aufnahme-Jahren mehr als 60 Alben veröffentlicht haben, sondern konnte sich den Traum erfüllen, eine seiner Lieblingsbands zu sich zu holen.
FAZIT: Auf „Imagination“ ist vom Slow Jam bis zur gepflegten Party-Nummer alles drauf. In 1A-Qualität. Nur ein bisschen mehr von allem dürfte es sein.
Künstler: The O’Jays | Album: Imagination | Label: Sanctuary Records | VÖ: 25. Oktober 2004