Es ist nicht nur ihr Retro-Sound, der nach „Soul Sessions“ auch bei „Mind, Body & Soul“ aufhorchen lässt. Was ihren zweiten Longplayer so interessant macht, ist vor allem die Lässigkeit, mit der die Künstlerin ihre Songs zu Gehör bringt. Joss Stone gelingt es, ihren Soul so routiniert zu vermitteln, als wäre sie nicht 17 sondern 34 und seit 20 Jahren im Geschäft.
Bei einigen Songs schafft sie das auch auf der inhaltlichen Ebene – immerhin ist sie bei 12 der 14 Songs mindestens Co-Autorin. Für manch skeptischen Kritiker überraschend kann Joss Stone nicht nur Klassiker interpretieren, sondern auch mit eigenem Material auftrumpfen. Dass dabei nicht gleich jeder neue Song selbst das Potenzial zum künftigen Klassiker hat, sollte man ihr dabei nachsehen, auch wenn die Latte bei ihr getrost hoch angelegt werden kann. „Don’t Cha Wanna Ride“ lässt sich da als Tiefpunkt ausmachen. Wenn man will. Will ich nicht. Einfach einen unbeschwerten Song über ein Auto zu machen, sollte auch Joss Stone nicht verwehrt sein – zumal er bei aller fehlenden Originalität immer noch solide produziert ist. Musik ist schließlich nicht nur eine Frage des Verstandes und des Anspruchs, sondern auch der Freude und des Bauchgefühls.
Das Herz erfreut auch das reggae-orientierte „Less Is More“, das eine so entspannte, heitere Stimmung schafft, dass ich beim Hören schon fast die seichte Brise eines sonnigen Tages am Strand in meinem Haar spüren kann.
Ob sie einen Song wie „You Had Me“ auf „Mind, Body & Song“ nicht besser draußen gelassen hätte, ist eine gute Frage. Kraftvoll und kommerziell präsentiert Joss Stone hier chart-kompatiblen Sound, mit dem sie eine breite Zielgruppe treffen kann. Der Wunsch, Platten auch zu verkaufen und dafür nicht nur gute Kritiken eines kleinen, elitären Zirkels einzuheischen, ist legitim. Doch gerade weil sich ihr Debüt schon weit mehr als zwei Millionen Mal verkauft hat, sie also schon den Beweis hatte, selbst damit als Newcomerin so abräumen zu können, hätte es „You Had Me“ nicht bedurft.
Ihr jugendliches Alter zu betonen, halte ich bei einer Bewertung ihrer CD nicht für angebracht. Wer einen Computer kauft, der Fehler hat, wird sich auch nicht vertrösten lassen: Ach, der, den ihn zusammengebaut hat, ist doch noch so jung. In einigen Jahren baut er sicher ganz hervorragende Computer. Was zählt, ist die Qualität. Warum sollte das bei Musik anders sein?
Einen Kredit auf ihre Zukunft als Künstlerin hat Joss Stone auch wirklich nicht nötig. Allerdings lässt „Mind, Body & Soul“ auf noch beeindruckendere CDs in der Zukunft hoffen, denn Talente entwickeln sich schließlich über die Jahre.
Künstler: Joss Stone | Album: Mind, Body & Soul | Label: S-Curve / EMI / Virgin | VÖ: 24. September 2004