Auch die USA suchen den Superstar. Die Show heißt dort „American Idol“ und hat mit ihrem Megapublikum schon die Karrieren einiger Musiker von Null auf Hundert gebracht. Mit Ruben Studdard haben sie einen Superstar gefunden. Er ist der Gewinner der zweiten Staffel und hat im Dezember 2003 sein erstes Album veröffentlicht.
Ich habe bisher fast nur schlechte Kritiken darüber gelesen und muss schon sagen, dass mich das erstmal sehr gewundert hat, denn „Soulful“ ist ein sehr gutes Album. Vielleicht gilt es auch in den Staaten unter vermeintlich gebildeten Menschen als mit dem eigenen Selbstverständnis unvereinbar, die Erschaffung eines Stars durch einen Fernsehsender zu begrüßen.
Über die Qualität solcher Shows mag ich mich hier gar nicht auslassen, denn das Musikgeschäft ist hart für neue Talente. Da überhaupt mal einen Fuß auf die Erde zu bekommen, ist schon eine Meisterleistung. Insofern muss ein Newcomer einfach jede Chance nutzen, um vor ein paar Leuten auftreten zu können. Wenn’s ein paar Millionen mehr sind, wär’ er schön’ blöd oder verdammt idealistisch (ob da ein Unterschied besteht, sei hier nicht entschieden), dies, die Chance seines Lebens!, abzulehnen. Viele große, ernsthafte Künstler haben in ganz einfachen Talentshows angefangen. Also bitte mal den Ball flach halten!
Dass Ruben Studdard mit seinem Debüt-Longplayer noch nicht in einer Liga wie seine Vorbilder Luther Vandross, Barry White und Donnie Hathaway singt, hört man sofort. Doch erstens ist „Soulful“ sein erstes Album, entstanden in relativ kurzer Zeit, und zweitens ist er auch ein ganz anderer Typ Mensch. So jedenfalls, wie er in der Show American Idol gezeigt wurde – und wie ihn uns auch das Cover darstellt – ist Ruben Studdard nicht der elegante, super-künstlerische Übermensch, sondern ein bodenständiger Kerl von nebenan. „Bodenständig“ ist dann auch eine treffende Beschreibung seines Sounds. Das ist nicht das, was jeder sucht, ich weiß. Zum Teil wirken die Lieder auf „Soulful“ auch noch nicht ganz fertig produziert, doch ist das eine erfrischende Abwechslung zum oft „überproduzierten“ Material in diesem Bereich.
So wirkt der Gewinner der zweiten Staffel von American Idol nicht so anbetungswürdig überirdisch, nicht wie ein eleganter Alleskönner, sondern wie ein lokaler Live Act auf einer Party im Club oder ein Besucher einer Karaoke-Bar, der nach ein paar Bieren den Mut aufbringt, auf die Bühne zu klettern. Genau das macht ihn mir noch mal extra sympathisch. Dass die Coverversionen ganz anders klingen, als man sich das gedacht bzw. als man es gewohnt ist, kann man einem Künstler doch nicht ernsthaft vorwerfen! Dass er andererseits bekannte Songs nachsingt, gehört bei jemandem, der durch eine Talentshow zu seinem Plattenvertrag gekommen ist, zum Pflichtprogramm.
Zugegeben sei allerdings, dass es wohl zu viele Produzenten auf einmal waren oder diese zumindest sehr unterschiedlich ihre Talente eingesetzt haben: R. Kelly, Swizz Beatz, Jazze Pha, Irv Gotti, The Underdogs…. Die Qualität der Songs ist schon sehr verschieden, was ohne Frage auch erheblich Verdienst oder Nicht-Verdienst der jeweiligen Produzenten ist. Nicht, dass ich dagegen wäre, durch Verpflichtung einer ganzen Reihe an Produzenten für Abwechslung zu sorgen, aber als Ganzes wirkt „Soulful“ in sich nicht so gut abgestimmt. Das hätte man einfach besser machen können.
Dennoch ist „Soulful“ ein Album, das mir ausgesprochen gut gefällt.
Künstler: Ruben Studdard | Album: Soulful | Label: j-Records | VÖ: 30. Oktober 2003