Seit ich den Debüt-Longplayer von Dwele gehört habe, ist mir klar, warum man mit dem Begriff „Neo Soul“ Probleme haben kann. Was chart-technisch natürlich von großem Wert ist, kann einen echten Künstler zur Verzweiflung treiben: kommerziell orientiertes Recycling von 70er Jahre Sound ohne eigene Innovationen oder besser noch ohne eigene Handschrift.
Mit „Subject“ hat mir Dwele die Ohren geöffnet dafür, wie man es so viel besser machen kann. Vor allem, wenn man es selbst macht – wie er!, denn vom Singen und Schreiben abgesehen, spielt er bei den meisten Songs auch noch selbst Guitarre, Keyboard, Trompete, Klavier oder was noch so an Instrumenten jeweils gebraucht wird. Dadurch, dass er rund das halbe Album auch noch selbst produziert hat, macht er „Subject“ fast zu einer One Man Show.
Abgesehen von den Rappern der Formation Slum Village, mit denen er auch von Zeit zu Zeit auf Tour ist, sind keine Gäste genannt. Slum Village passen da phatastisch rein, denn Hip-Hop ist für ihn auch eine Herzensangelegenheit, wobei er – so kurios das klingen mag – zum Hip-Hop erst über den Jazz gekommen ist: Fasziniert davon, wie die schon legendären A Tribe Called Quest ihren Hip-Hop durch Jazz bereichert haben, wollte er in der Richtung einfach auch etwas unternehmen. Sowieso dürfte er nicht wenigen Fans anspruchsvoller oder einfach nur alternativer Rap-Musik kein Unbekannter sein – nicht nur durch seine Auftritte mit Slum Village, sondern durch Features z. B. auf dem „BBQueen“ von Bahamdia, wo er sie bei „Beautiful Things“ und „Philadelphia“ schon 2000 unterstützt hatte.
Wie schon angedeutet, hat auch Jazz einen starken Einfluss auf Dwele’s Musikgeschmack gehabt, doch lebt er das auf „Subject“ nicht aus, klingt das nur fein durch. Schon beim nächsten Album könnte es nach seinem Geschmack allerdings stark in diese Richtung gehen.
Soweit ist es aber noch nicht: Auf „Subject“ bringt uns Dwele einen modernen R&B-/Soul-Sound, den die meisten wohl als gar nicht so frisch empfinden werden: Keine großen Effekte, im Zweifel eher sparsame Instrumentierung und eine relativ unaufdringliche Produktion sowie seine nicht gerade spektakuläre Stimme haben eine meist beruhigende Wirkung (auch wenn durchaus ein paar flotte Tracks dabei sind). „Subject“ wird dadurch ein Longplayer, der mehr ist als ein bloßer Klangteppich im Hintergrund: Musik zum Zuhören. Auf mich wirkt sein Sound gerade wegen der eben beschriebenen Art erfrischend, meine Seele befreiend. Ein Album wie „Subject“ hört Ihr – von den kräftigeren Tracks abgesehen – am besten nicht bei der Arbeit, sondern bei einem einsamen Sparziergang oder einer Tasse guten Tees.
Künstler: Dwele | Album: Subject | Label: Virgin | VÖ: 18. Juli 2003