R. Kelly ist doch ein musikalisches Genie! Ein besonderer Fan seiner Werke war ich zwar nie, aber „Chocolate Factory“ ist noch mal deutlich spannender als seine früheren CDs. Ich frage mich, wie Robert Kelly das gemacht hat: Eigentlich sollte bereits im Herbst 2002 ein neues Album unter dem Titel „Loveland“ veröffentlicht werden, doch wie andere gefragte Künstler wurde der Star Opfer von Piraten, die seine Musik lange vor der geplanten Veröffentlichung illegal verbreiten.
So kam es, dass „Loveland“ als komplettes Album nicht den Weg in die Plattenregale, sondern R. Kelly den Weg erneut ins Studio gefunden hatte und komplett neue Songs für „Chocolate Factory“ aufnahm. Immer wieder wurde die Veröffentlichung um einigen Wochen verschoben, doch Mitte Februar 2003 war es dann soweit: randvoll mit Qualität erschien „Chocolate Factory“.
Nicht wenige hatten vorher vermutet, dass sich der Mann angesichts der Kinderpornographie-Vorwürfe beim Thema Sex auf „Chocolate Factory“ zurückhalten würde. Aber nix da! Seine Texte zielen genau so unter die Gürtellinie wie immer. Da er das genau so gut wie immer – wenn nicht diesmal noch besser! – musikalisch zu verpacken weiß, können seine Fans zufrieden sein. Zum Glück hat der Sex-Skandal seine künstlerische Arbeit nicht negativ beeinflusst. Nur im Song „Heaven I Need A Hug“ macht er deutlich, dass die Ereignisse in 2002 nicht spurlos an ihm vorüber gegangen sind.
Dieser Song gehört strenggenommen nicht zum eigentlichen „Chocolate Factory“-Album, sondern kommt von der Bonus-CD, die nur in einer limitierten Auflage des neuen Longplayers enthalten ist. Sechs Songs vom für „Loveland“ gedachten Material sind auf dieser Scheibe, die dann auch den Aufdruck „Loveland“ trägt.
Der Sound auf „Chocolate Factory“ ist ein wenig souliger und noch weniger poppig als auf TP-2.COM. Bei meinem persönlichen Favoriten „You Knock Me Out“ treibt R. Kelly das auf Spitze: Im Stil von Marvin Gaye (wie dieser etwa bei „That’s The Way Love Is“ klingt) beweist R. Kelly, dass weit mehr in ihm steckt, als er uns üblicherweise zeigt. Mehr davon! Das wünsche ich mir fürs nächste Album.
Natürlich ist auch wieder genügend Material im typischen R. Kelly Sound dabei – und Gäste! Das sind diesmal allerdings wenige: Ja Rule, Ronald Isley und Big Tigger.
Fazit: Die Fans werden zufrieden sein, und so manch anderen könnte R. Kelly mit „Chocolate Factory“ begeistern, wenn er denn auf die Musik hört und sich nicht um den sogenannten Sex-Skandal kümmert. Denn eines möchte ich mal klarstellen: Selbst wenn alles wahr sein sollte, was diesem Mann vorgeworfen wird: Er bliebe ein großartiger Musiker. Nicht wenige Rapper sind nachweislich in Morde und Drogengeschäfte verwickelt. Doch das erhöht genretypisch ja die viel beschworene „Street Credibility“. Die sind ja so was von „real“. (Weitere Besprechung dieses Albums)
Künstler: R. Kelly | Album: Chocolate Factory | Label: Jive | VÖ: 17. Februar 2003 | Album des Monats: März 2003