Trotz bislang nicht bewiesener Vorwürfe wegen Geschlechtsverkehrs mit Minderjährigen lässt sich R. Kelly nicht unterkriegen. Im Gegenteil: Nach doch recht poporientierten Alben in den letzten Jahren hat er mal wieder eine Songkollektion zusammengestellt, die auf Augenhöhe mit seinen Alben „12 Play“ und „Born Into The 90’s“ steht. „Chocolate Factory“ (Jive) ist eine gut austarierte Mischung aus Slow und Uptempo, die Euch mein Kollege Oliver Springer ausführlich hier bei rap2soul vorstellt.Ein Muss für Soulfreunde ist das Album „Chapter 2: The Voice“ (Jive) von Syleena Johnson. Der Tochter von Syl Johnson ist der Blues in die Wiege gelegt worden. Was sie mit der Muttermilch aufsog, fließt in Form von Rauheit und Wärme zu gleichen Teilen in die Songs ein. Im Vergleich zum crediblen Debüt tritt die Lady noch selbstbewusster auf und zieht beim Tempo an. Syleena Johnson kann sich längst mit Angie Stone messen – der direkte Vergleich geht unentschieden aus.
Eine vielversprechende Künstlerin debütiert bei Epic: Vivian Green scheint bei Mary J. Blige in die Lehre gegangen zu sein, denn für „A Love Story“ hat sie edle Zutaten aus Soul und Hip-Hop absorbiert. 14 emotionsreiche Songs versammeln sich auf einem fulminanten Debüt. Es hat eigentlich seit Jill Scott kein so ausgereiftes erstes Album von einer amerikanischen Sängerin gegeben.
Nicht ganz so tiefschürfend geht Destiny’s Child’s Kelly Rowland zu Werke. „Simply Deep“ (Columbia) ist durchaus perfekt gemachte Unterhaltungsmusik. Die Rowland siebt jedoch in den Uferzonen, wo Black Music allmählich zum Pop ausgewaschen wird. Und austauschbar wird. Ihre Bandkollegin Michelle Williams, die im vergangenen Jahr ein ambitioniertes Gospelalbum eingespielt hat, war da kompromissloser.
Common stellt einmal mehr seine Freigeistigkeit unter Beweis. Auf „Electric Circus“ (MCA) nimmt er sich Prince’sche Freiheiten im Hip-Hop heraus; wohl wissend, dabei nicht von jedem Head verstanden zu werden. Common entführt in eine Manege, in der eine unkonventionelle Vorstellung von Artisten aus Soul und Jazz bis Rock ansteht. Kompliziert und künstlerisch wertvoll zugleich – Commons fünfter Longplayer wendet sich an die gleichen Leute, die das von der Kritik hochgelobte Album der Roots goutiert haben.
Frischer Rapwind weht von den britischen Inseln herüber. „Nu Flow“ (SONY) heißt der erste Longplayer des Sextetts Big Brovaz. Der Name lässt Schlimmes vermuten, zumal die drei Boys und drei Girls alle im selben Haus eingemietet sind. Aber weit gefehlt: Die Wohngemeinschaft zelebriert eine überaus freche Mixtur aus weiblichem R&B-Gesang, der durch mehrere Rapper manchmal clownesk konterkariert wird. So wie die Big Brovaz würden OutKast klingen, wenn sie aus London kämen.
Die andere Seite der Schweiz, die Schokoladenseite sozusagen: Neben Käse, Neutralität, Plebiszit und DJ Bobo gibt es in der Alpenrepublik auch Blockparties – dokumentiert von der Bros Rock Crew auf „Metro Superstar“ (MZEE Records). Die Soundbastler aus dem Dörfchen Langenthal verbauen Samples der 70er/80er gleich kiloweise in battle tracks, ohne vor „Daddy Cool“ und „We Will Rock You“-Schnipseln zu kapitulieren. Funky – aber nur für echte Straßenkämpfer geeignet!
Die Kolumne endet voller Seele: Rounder Records hat geballte Soulpower von Solomon Burke auf zwei Discs gebrannt, darunter John Fogerty’s „Proud Mary“ in einer unglaublichen Sixties-Soul-Verpackung. „Soul Alive!“ ist ein Mitschnitt zweier Konzerte, die Burke vor zwei Jahrzehnten in Washington, D.C. gegeben hat. Wir würden keine Live-Aufnahme empfehlen, die nicht wirklich außergewöhnlich ist. Und „Soul Alive“ ist Soul alive!